Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
schnappt nur ganz kurz Luft und taucht sofort wieder unter.«
    Er winkte Renn und Torak in den Schutz des Schlittens. »Ich muss es wie der Eisbär machen und ganz still warten, aber ihr mit euren dünnen Kleidern würdet erfrieren. Bleibt aus dem Wind und macht keinen Mucks! Die kleinste Erschütterung vertreibt die Robben.« Er baute sich mit erhobener Harpune auf und rührte sich nicht mehr.
    Torak kauerte sich hinter den Schlitten und machte sich verstohlen an den Riemen zu schaffen, mit denen seine Trage festgebunden war.
    »Was machst du da?«, flüsterte Renn.
    »Ich will hier weg. Kommst du mit?«
    Auch Renn band ihre Sachen los.
    Da ihnen Inuktiluk den Rücken zukehrte, konnten sie Tragen und Schlafsäcke schultern, ohne dass er etwas mitbekam, aber als sie aufstanden, wandte er den Kopf. Er rührte sich nicht, sah sie nur stumm an.
    Torak erwiderte seinen Blick trotzig, machte aber keine Anstalten wegzulaufen. Der Eisfuchsmann hatte sie von seinem eigenen Blut trinken lassen, damit sie nicht erfroren. Er war wie sie ein Jäger. Und sie waren drauf und dran, ihm die Jagd zu verderben.
    »Das können wir nicht machen!«, zischelte Renn.
    »Weiß ich«, erwiderte Torak.
    Widerstrebend setzten sie die Tragen ab.
    Inuktiluk wandte sich wieder dem Atemloch zu.
    Da bewegte sich die Feder.
    So geschwind, wie ein Reiher zustößt, schleuderte Inuktiluk die Harpune. Die Spitze löste sich vom Schaft und blieb in der Schwarte der Robbe stecken. Mit einer Hand holte Inuktiluk das daran befestigte Seil ein, die andere benutzte er dazu, mit dem Harpunenschaft das Loch zu vergrößern.
    Torak und Renn ließen ihre Tragen liegen, rannten hinzu und halfen ihm. Ein kräftiger Ruck und die Robbe war draußen, bekam einen Hieb auf den Kopf und war tot, ehe sie auf dem Eis aufschlug.
    »Danke!«, keuchte Inuktiluk. Er löste die Harpunenspitze und verschloss die Wunde mit einer Knochennadel, die er »Wundpfropf« nannte, damit kein Blut vergeudet wurde. Anschließend drehte er die Robbe um und steckte ihre Schnauze in das Atemloch. »Damit ihre Seelen hinunter zur Meermutter gelangen und wiedergeboren werden können.« Er zog den Handschuh aus und streichelte dem Tier den hellen, gefleckten Bauch. »Vielen Dank, mein Freund. Möge dir die Meermutter einen schönen neuen Leib schenken!«
    »Das machen wir im Wald auch«, sagte Renn.
    Inuktiluk lächelte.
    Sie halfen ihm dabei, das schlanke silbergraue Tier zum Schlitten zu schleifen.
    Die Hunde kläfften und wollten sich auf die Robbe stürzen, aber Inuktiluk brachte sie mit einem kurzen Befehl zum Schweigen. Dann schlitzte er die Robbe geschickt auf und holte mit der bloßen Hand die dampfende dunkelrote Leber heraus.
    Hinter ihnen kläffte es, und als sie sich umdrehten, erblickten sie einen Eisfuchs. Er war kleiner und kräftiger als die roten Waldfüchse, hatte sich hingesetzt und beobachtete Inuktiluk mit neugierigen goldbraunen Augen.
    Der Eisfuchsmann schmunzelte. »Der Hüter will seinen Anteil!« Er warf dem Fuchs einen Brocken Leber zu, den das Tier geschickt auffing und mit einem Happs verschlang. Dann gab Inuktiluk Torak und Renn je ein Stück Leber. Das Fleisch war fest, schmeckte süßlich und glitt geschmeidig die Kehle hinunter. Die Lungen warf Inuktiluk den Hunden vor. Sie beschnüffelten sie zwar, waren aber zu unruhig zum Fressen.
    »Wir haben Glück gehabt«, sagte Inuktiluk mit vollem Mund. »Manchmal wartet man den ganzen Tag, bis eine Robbe kommt.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß ja nicht, ob ihr beide so viel Geduld hättet.«
    Torak überlegte, dann erwiderte er: »Ich muss dir etwas sagen.« Er hielt inne. Renn nickte ihm ermutigend zu. »Wir sind hergekommen, weil wir auf der Suche nach einem Freund sind. Bitte lass uns ziehen.«
    Inuktiluk seufzte. »Ich habe ja inzwischen begriffen, dass ihr nichts Böses im Schilde führt. Leider darf ich euch trotzdem nicht weiterziehen lassen.«
    »Warum nicht?«, hakte Renn nach.
    Die Schlittenhunde jaulten und zerrten am Geschirr.
    Torak ging nachsehen, was los war.
    »Was haben sie?«, fragte Renn.
    Torak gab sich Mühe, die Hunde zu verstehen. Ihre Sprache war nicht so vielfältig wie die der Wölfe, glich eher Welpensprache. »Sie wittern etwas, aber der Wind bläst zu stark, sodass sie nicht recht wissen, wo es herkommt.«
    »Was wittern sie denn?« Renn griff nach ihrem Bogen.
    Inuktiluk bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. »Kannst du … kann er sie etwa verstehen?«
    Torak kam nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher