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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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»Beeil dich. Es ist gleich so weit.«
    Torak hob die schwere Steinplatte auf und trug sie zum Opferstein.
    Wann konnte er sich endlich davonmachen und Wolf suchen?
    Der Plan, den er ersonnen hatte, war riskant, ja sogar lebensgefährlich, aber etwas Besseres war ihm nicht eingefallen. Als Erstes musste er wieder in die stinkende Höhle gelangen, wo die »Opfertiere« eingesperrt waren, anschließend musste er so nah wie möglich an den Eisbären heran und dann …
    »Stell’s hierher«, befahl Seshru.
    Torak gehorchte und wollte kehrtmachen, aber ihre kalten Finger packten ihn am Handgelenk.
    »Bleib. Schau zu. Lerne.«
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich neben sie zu knien.
    Sie hatte ihre Maske mit Kalk bestrichen, sodass sie strahlend weiß geworden war. Jetzt tauchte sie den Zeigefinger in eine Mischung aus Erlensaft und Erdblut und malte den Mund rot. Sie bewegte den Finger langsam im Kreis herum und Torak wurde schwindlig. Unter seinem Blick wurde die Maske lebendig. Die blutroten Lippen glänzten von Speichel, die dürre Grasmähne raschelte und wurde immer länger.
    »Nicht anfassen!«, raunte die Natternschamanin.
    Torak wich mit einem Aufschrei zurück.
    Die Seelenesser lachten schallend. Sie hielten ihn zum Narren, taten so, als gehörte er schon zu ihnen, verfolgten aber damit irgendeinen Zweck.
    »Du möchtest wissen, warum wir das tun«, sagte Nef, womit sie wieder einmal seine Gedanken gelesen hatte.
    »Was glaubst du wohl, warum wir die Pforte öffnen wollen?«, fragte Seshru leise. »Wozu wir die Dämonen herauslassen wollen?«
    »Weil wir alle Clans vereinen und sie anführen wollen!«, sagte Thiazzi und trat neben sie.
    Torak befeuchtete sich die Lippen. »Aber… die Clans haben doch schon alle einen Anführer.«
    »Und was nützt es ihnen?«, sagte Nef barsch. »Hast du dich noch nie gefragt, weshalb der Weltgeist eigentlich so launisch ist, so unberechenbar? Warum er uns einmal mit Beute versorgt und ein andermal hungern lässt? Warum er ein krankes Kind tötet und ein anderes verschont? Weil die Sippen nicht leben, wie es ihm wohlgefällig ist!«
    »Jede Sippe hat ihre eigene Opferzeremonie«, fuhr Thiazzi fort, »ihre eigene Art, die Verstorbenen auf die Todesreise zu schicken. Das missfällt dem Weltgeist.«
    »Das Ganze folgt keiner höheren Ordnung!«, sagte Nef.
    Thiazzi richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Wir wissen, wie man es anpacken muss. Wir wollen es allen anderen zeigen.«
    »Aber dazu«, warf Seshru ein und heftete ihren unergründlichen Blick auf Torak, »braucht man große Macht. Die verschaffen uns die Dämonen.«
    Torak versuchte vergeblich, ihrem Blick auszuweichen. »Über Dämonen kann man nicht befehlen«, widersprach er.
    Thiazzis Gelächter hallte von den Felswänden wider. »Da irrst du dich ganz gewaltig!«
    »Unsere Vorgänger haben sich übernommen, das war ihr Verhängnis«, sagte Seshru. »Unser verschollener Bruder hat einen Urgewaltigen beschworen und in einen Bären gebannt. Natürlich konnte er ihn nicht befehligen. Es war ein großartiges Unterfangen, aber es war heller Wahnsinn.«
    Großartig?, dachte Torak. Dieser Wahnsinn hatte seinen Vater das Leben gekostet!
    Nef kam herbeigehumpelt. »Die Dämonen, die wir beschwören«, verkündete sie, »sind zahlreich wie Fledermäuse, die den Mond verdunkeln …«
    »… zahlreich wie die Blätter im Wald«, fiel ihr der Eichenschamane ins Wort. »Sie werden überall Angst und Schrecken verbreiten!«
    »Und dann…«, die Natternschamanin streckte die Hände aus und zog sie wieder zurück, als hätte sie etwas Unsichtbares gepackt, »… rufen wir die Dämonen zurück, und sie werden uns gehorchen, weil wir – und nur wir – das Eine besitzen, das sie gefügig macht.«
    »Und was ist das?«, fragte Torak.
    Der schöne Mund lächelte spöttisch. »Das wirst du schon noch sehen.«
    Torak blickte in die Runde. Die Gesichter der Schamanen glühten vor Eifer. Während er sich zurechtgelegt hatte, wie er Wolf befreien konnte, hatten sie einen Plan ausgeheckt, wie sie über den ganzen Wald herrschen konnten.
    »Man nennt uns Seelenesser«, sagte Thiazzi geringschätzig und spie einen Klumpen Fichtenblut aus.
    »Ein alberner Name«, brummte Nef.
    »Aber nützlich«, widersprach Seshru leise und lächelte hinterhältig. »Der Name schüchtert andere ein.«
    Torak stand unbeholfen auf. »Ich … ich muss los. Ich muss die Opfertiere bewachen.«
    »Wozu?« Thiazzi vertrat ihm den Weg. »Das Auge ist

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