Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
etwas tun! Sie lassen die beiden einfach hier liegen, bis sie verwest sind.«
Das ist das Böse, dachte Torak. So offenbart es sich.
Im Tode sah der Bär jammervoll klein aus. Mitleid schnürte Torak die Kehle zu. »Mögen eure Seelen den Weg hinaus ins Eis finden«, sagte er leise. »Mögen sie in Frieden ruhen.«
»Komm, Torak…«, hörte er Renn undeutlich sagen. »Wir müssen los. Sonst öffnen die Seelenesser die Pforte!«
Die Zeremonie war bereits im Gange.
Torak stand geduckt am entfernten Ende der Höhle und aller Mut verließ ihn. Wolf schmiegte sich zitternd an ihn, Renn stand wie erstarrt da.
Die steinernen Bäume waren mit leuchtend roten Flecken gesprenkelt. Über dem Opferstein kräuselte sich beißender schwarzer Rauch. Die Seelenesser hatten ihr Haar geopfert. Eichenschamane und Natterschamanin streiften durch die dämmrige Höhle und stießen mit dreizackigen Spießen nach den Schatten, wehrten die rachsüchtigen Seelen der ermordeten Jäger ab. Die Masken mit den blinden Augenschlitzen machten sie fast unkenntlich, schwarzer Geifer troff ihnen von den bemalten Lippen. Beide waren bis zur Hüfte nackt, hatten nur eine Tierhaut umgeworfen.
Die Natternschamanin trug das innen noch blutige Luchsfell. Der Kopf mit dem aufgerissenen Rachen saß auf ihrem Schädel, der glatte Pelz fiel ihr über den Rücken und sie schwenkte den Flammenstein des Streuners.
Der Eichenschamane hatte sich in den Eisbären verwandelt. Mit den Händen in dessen Tatzen tappte er fauchend zwischen den steinernen Schösslingen umher und hieb mit den Klauen um sich.
Nur die Eulenschamanin sah unverändert aus. Sie hockte reglos auf dem Boden, den Blick auf die Wand geheftet, wo die roten Abdrücke die Pforte bezeichneten. In den Leichenhänden hielt sie den Stab mit dem Feueropal.
Torak zwang sich, den Blick abzuwenden. Was immer er und Renn vorhatten, es war höchste Zeit. Nef konnte jeden Augenblick nach ihren Mitverschwörern rufen.
»Die Fackeln!«, raunte er Renn ins Ohr. »Ich sehe bloß drei. Wenn wir sie auslöschen, können wir vielleicht…«
Renn rührte sich nicht. Sie schaute gebannt zu den Seelenessern hinüber.
»Renn!« Torak rüttelte sie an der Schulter. »Die Fackeln!«
Sie riss sich von dem Schauspiel los. »Hier«, flüsterte sie. »Nimm mein Messer. Ich nehme die Axt.«
Torak nickte. »Wo ist das Wieselloch?«
»Da drüben, hinter dem grünlichen Schössling. Da ist ein breiter Spalt, den klettert man hoch und …«
»Schon klar. Das dürfte nicht weiter schwer sein, aber noch ist es nicht so weit.«
Torak kniete sich hin und drückte die Wange an Wolfs Schnauze. Wolf wedelte schwach mit dem Schwanz und leckte ihm das Ohr.
»Er schlüpft durch den Spalt am Eingang«, raunte Torak, als er sich wieder aufrichtete. »Er hat es leichter als wir.«
»Und was machen wir jetzt? Wie wollen wir sie aufhalten?«
Torak musterte die den Opferstein umschreitenden, zischenden, fauchenden Seelenesser. »Wenn du die Fackeln auslöscht, während ich mit ihnen spreche und sie ablenke …«
»Während du was?«
Ehe sie ihn festhalten konnte, war er aufgestanden und trat in den Fackelschein.
Luchs und Bär wirbelten herum und starrten ihn mit blinden Augen an.
»Der neunte Jäger ist da«, verkündete der Eichenschamane, dumpf knurrend wie ein mordlustiger Bär.
»Aber er kommt mit leeren Händen«, zischelte die Natternschamanin. »Er sollte doch den Adler, den Vielfraß, den Otter und den Fuchs mitbringen!«
Die Eulenschamanin krallte die Klauen in den Knauf ihres Stabes. »Und warum hat er nicht gehorcht?«
Torak wollte etwas erwidern, brachte aber keinen Ton heraus. Wo blieb Renn bloß? Wieso brannten die Fackeln noch?
Verzweifelt sann er auf eine List, wie er den Feueropal in seine Gewalt bringen und die Seelenesser an ihrem Vorhaben hindern könnte – wie das Unmögliche gelingen könnte.
Ein lauter Ruf hallte durch die Höhle. Nef kam hereingehumpelt. »Der Wolf ist fort! Das war bestimmt der Junge. Er hat den Wolf freigelassen. Er hat alle Tiere freigelassen!«
Drei maskierte Köpfe wandten sich Torak zu.
»Freigelassen?«, wiederholte die Natternschamanin lauernd.
Torak wich zurück.
Die Fledermausschamanin vertrat ihm den Weg.
Der Eichenschamane wischte sich den Schaum vom Mund und sagte: »›Der Wolf lebt.‹ So lautete die Botschaft von unserem Bruder jenseits des Meeres. Wir haben lange darüber gegrübelt.«
»Dann ist der Junge aufgetaucht«, spann die Natternschamanin den
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