Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Steingesicht hielt es immer noch hoch und zwang die Dämonen damit, ihr zu gehorchen. Wolf spürte, dass weder Groß Schwanzlos noch das Weibchen – und er selbst auch nicht – es wagen würden, auf sie loszugehen, denn sie wussten alle drei, dass Steingesicht die Allergefährlichste war.
Wolf irrte sich.
Der mutige Vorstoß des Weibchens hatte Groß Schwanzlos aufgerüttelt. Nun bellte er ihr etwas zu, worauf sie ihm ihre große Klaue zuwarf. Dieselbe, die Wolf ein Stück Schwanz abgebissen hatte.
Groß Schwanzlos fing die Klaue mit der Vorderpfote auf, dann stürzte er auf Steingesicht los – und auf die Dämonen!
Todesangst zog und zerrte an Wolfs Pfoten, aber er liebte seinen Rudelgefährten zu innig, um ihn jetzt im Stich zu lassen. Seite an Seite stürmten sie durch den Nebel aus Angst. Groß Schwanzlos holte mit dem Vorderlauf aus und schleuderte die große Klaue, aber nicht auf Steingesicht und auch nicht auf die Dämonen … sondern auf einen schlanken Steinschössling, der von der Höhlendecke hing.
Kluger Groß Schwanzlos! Der Steinschössling bekam einen Riss … wackelte … und fiel mit Getöse herunter. Die Dämonen kreischten und huschten davon wie Ameisen vor den Hufen eines Auerochsen. Steingesicht ging zu Boden, und das Helle Tier flog ihr in hohem Bogen aus der Pfote und kullerte über den Boden, bis das Dunkel sein kaltes Licht verschluckte.
Wie die Dämonen heulten! Jetzt waren sie frei! Und nun überschwemmten sie den ganzen Bau so unaufhaltsam wie ein gewaltiges Flinkes Nass. Wolf und Groß Schwanzlos verbargen sich im Steindickicht, und Wolf stockte schier das Herz, als sie an ihm vorbeistürmten.
Schon hörte man, wie sich die tückischen Schwanzlosen zankten und sich gegenseitig die Schuld am Verlust des Hellen-Tiers-das-kalt-beißt gaben. Außer Wolf sah niemand, wie das Weibchen darüber stolperte, es aufhob und in das Stück Schwanenbalg steckte, das sie um den Hals hatte.
Dann nahm das Weibchen Groß Schwanzlos bei der Vorderpfote und zog ihn im schwachen Schein des glimmenden Astes zu einem kleineren Bau hoch oben in der Wand. Dessen Eingang war so eng wie der von einem Wieselbau und der frische, kalte Geruch des Oben kam herausgeweht.
Da begriff Wolf, was die beiden vorhatten. Sie wollten einen Weg nehmen, der ihm verwehrt war. Er klemmte den Schwanz ein, als er sah, wie sie ihre Überpelze abstreiften und sich bereit machten.
Groß Schwanzlos kniete sich vor ihn hin. Such den anderen Ausgang! Wir treffen uns im Oben! Um ihn zu beruhigen, wedelte Wolf mit dem Schwanz, denn er spürte, dass sich sein Rudelgefährte seinetwegen sorgte und ihn nur ungern zurückließ.
Dann waren die beiden verschwunden. Wolf machte auf der Hinterpfote kehrt und stürmte los, hinaus aus dem großen Bau, dem frischen, kalten Geruch des Oben nach.
Torak kroch, nach Atem ringend, durch den engen Gang, kroch immer weiter und weiter, denn der Gang schien kein Ende zu nehmen. Was für ein grässliches Loch! Wie hatte Renn das bloß geschafft, und nicht nur einmal, sondern gleich dreimal?
Als Torak und Renn endlich erschöpft in den Schnee fielen, herrschte tiefe Nacht. Eine windige Nacht mit einem dunklen Mond, sodass ihnen nur das spärliche Licht der Sterne den Weg wies. Von Wolf war nichts zu sehen oder zu hören.
Gleich kommt er, redete sich Torak ein. Er schafft es bestimmt. Wenn es einer schafft, dann Wolf.
Nach der Wärme im Berg war es hier draußen bitterkalt. Renn und Torak klapperten so heftig mit den Zähnen, dass sie nicht sprechen konnten, als sie ihre Kleiderbündel aufschnürten und sich hastig anzogen.
»Der Feueropal«, schnaufte Torak schließlich. »Ich habe gesehen, wie er auf den Felsboden gefallen ist. Das bedeutet, dass die Dämonen frei sind!«
Renn nickte knapp. Im Sternenschein war ihr Gesicht ganz blass und mit den schwarzen Haaren sah sie fremd aus.
»Hast du gesehen, wo er hingefallen ist?«, fragte Torak. »Hat ihn jemand aufgehoben?«
Renn schien etwas erwidern zu wollen, schüttelte aber nur stumm den Kopf. »Komm jetzt«, sagte sie dann leise, »wir müssen zum Boot, ehe sie unsere Spuren entdecken.«
Meinte sie die Seelenesser oder die Dämonen? Torak fragte nicht nach.
Sie stapften durch den tiefen Schnee um den Felsvorsprung herum. Als sie zum Auge der Natter kamen, war es verschlossen, aber Torak sah, wie sich ein heller, schmaler Schemen durch den Spalt zwängte und davonflitzte. Er hätte jubeln können. Der Fuchs hatte aus dem Berg
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