Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
verschlafenes Gesicht. »Ich bin eingedöst. Die Wurzel … mir tut immer noch der Kopf weh.«
»Kein Wunder. Wer ein Seelenesser werden will, muss stark sein!«
Torak wurde heiß und kalt, als die Schamanin direkt vor Renns Versteck stehen blieb und sich mit der Hand an der Steinplatte abstützte.
Torak ging ein Stück weiter und hoffte, dass sie hinterherkäme.
Aber die Seelenesserin blieb, wo sie war, lehnte ihre Fackel an die Wand und hockte sich hin. »Stark«, wiederholte sie wie im Selbstgespräch, »stark muss man sein!« Sie breitete die Hände aus und betrachtete sie. Die Handflächen waren rot von Blut.
»Der Luchs«, sagte Torak. »Du hast ihn getötet. Die Opferzeremonie hat begonnen.«
Nef ballte die Fäuste. »Es musste sein! Einige wenige müssen sich zum Wohle aller opfern!«
Torak hatte einen ganz trockenen Mund. Er musste sie loswerden, ehe sie Renn entdeckte. Trotzdem …
»Du brauchst ja nicht mitzumachen«, wandte er ein.
Nef hob ruckartig den Kopf.
»Ich meine die Opferzeremonie. Die Pforte.«
»Hä?«
»Es sind Dämonen!«
»Darum geht es doch gerade! Dämonen können Gut und Böse nicht unterscheiden. Wir können ihnen unseren Willen aufzwingen. Begreifst du denn nicht? Das ist die Gelegenheit für uns, die Ordnung wiederherzustellen! Den Willen des Weltgeists durchzusetzen.«
»Indem ihr die Clangesetze brecht?«
Nef sah ihn scharf an. Dann sprang sie auf, packte die Fackel und hielt sie ihm so dicht vors Gesicht, dass er das Kiefernblut knistern hörte. »Du bist ein Feigling«, zischte sie, »ein jämmerlicher Feigling! Wieso hast du dich verstellt?«
Torak schwieg.
Nef ließ die Fackel wieder sinken. »Ach, was soll’s. Das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache.«
Etwas Dunkles huschte an der Fackel vorbei und ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Torak sah die Seelenesserin das weiche Fell der Fledermaus liebkosen und konnte nicht verstehen, wie sie einerseits so zärtlich zu ihrem Totemtier sein und andererseits eine solche Sünde begehen konnte.
»Bald ist die Pforte offen«, sagte sie. »Bis dahin hast du noch einiges zu tun. Bring die Opfertiere in den Steinwald.«
»Heißt das etwa …«
»Wir müssen sie töten. Alle!«
Er schluckte. »Und was … was machst du?«
»Ich?«, blaffte sie. »Ich kümmere mich um den Wolf.«
»Was hast du dir denn dabei gedacht?«, flüsterte Renn, als die Schamanin gegangen war. »Legst dich mit einer Seelenesserin an! Dazu noch direkt vor meinem Versteck. Wenn sie mich entdeckt hätte!«
»Ich dachte, ich könnte sie vielleicht umstimmen.«
»Sie ist eine Seelenesserin, Torak!«
Renn hatte recht, aber er mochte es nicht zugeben.
»Los jetzt«, sagte er barsch. »Wenn sie sieht, dass Wolf weg ist, ruft sie bestimmt die anderen. Wir müssen die übrigen Tiere freilassen und dann nichts wie weg!«
Mit gespitzten Ohren huschten sie von Nische zu Nische. Fuchs und Otter flitzten hinaus, kaum dass die Steinplatten einen Spalt offen standen. Der Adler funkelte sie empört an, breitete die Schwingen aus und flog davon. Der Vielfraß fauchte blindwütig und hätte sie bestimmt angefallen, wäre nicht unversehens Wolf aufgetaucht und hätte ihn verjagt.
»Puh!«, machte Renn. »Das nenne ich Dankbarkeit!«
»Glaubst du, sie finden raus?«
Renn nickte. »Die Steinplatte vor dem Ausgang steht einen schmalen Spalt offen, da passen sie durch.«
»Und Wolf?«
»Der auch. Wir leider nicht. Und wir sollten uns lieber nicht drauf verlassen, dass wir die Platte wegschieben können.«
»Soll das heißen… wir müssen durch dein Wieselloch?«
Renn wurde blass. »Falls wir überhaupt ungesehen hinkommen …«
Sie schwiegen. Sie hatten sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie sie die Seelenesser eigentlich aufhalten wollten. Sie wussten nur, dass sie in den Steinwald zurückgehen und … irgendetwas unternehmen mussten.
Wolfs Klauen klapperten leise, als er quer durch die Höhle trabte. Vor der Grube mit dem Eisbären machte er Halt und wandte sich nach Renn und Torak um.
Mit einem unguten Gefühl ging Torak zu ihm. Von dem Anblick, der sich ihm bot, schlotterten ihm die Knie. »Immerhin sind wir besser dran als die beiden hier.«
»Wieso?«
Torak trat beiseite.
Die Seelenesser hatten den Bären abgeschlachtet, ihm das Fell abgezogen und den noch dampfenden Kadaver in der Grube liegen lassen. Mit dem Luchs hatten sie es genauso gemacht und ihn hinterhergeworfen.
Renn musste sich an die Wand lehnen. »Wie kann man so
Weitere Kostenlose Bücher