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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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rührte das Pulver mit Spucke zu einer Paste an und malte sich blind eine Hand, das Zeichen gegen das Böse, auf die Stirn, wobei ihm zu spät einfiel, dass er vorher besser das Eulenblut abgewischt hätte. Er wusste nicht, ob das Blut den Bann beeinträchtigte, er wusste nur, dass einen die Hand vor dem Bösen schützte, und er brauchte allen Schutz, den er bekommen konnte.
    Dann stand er mühsam auf. Diesmal vernahm er ein leises Fauchen und hörte Klauen übers Eis scharren. Vielleicht wichen die Dämonen vor dem machtvollen Zeichen zurück.
    »Lasst mich in Frieden!«, rief er mit bebender Stimme. »Ich bin noch nicht tot. Und Renn auch nicht.«
    Stille. Hatten sie ihn gehört oder führten sie ihn an der Nase herum?
    Torak ließ sich auf alle viere nieder, tastete nach den beiden Schlafsäcken und band sie sich auf den Rücken. Das Schneemesser steckte er in den Gürtel.
    Er zwang sich, innezuhalten und nachzudenken. Es fing an zu tauen, darum ging er am besten erst ein Stück landeinwärts, bog dann ab und machte sich auf die Suche nach Renn.
    Gestern hatten Strömung und Wind ihr Boot nach Süden befördert. Auch Renns Eisscholle trieb südwärts.
    »Auf nach Süden!«, sagte er laut. Vielleicht verkeilte sich Renns Scholle ja irgendwo im Festlandeis und sie konnte an Land.
    Bloß – wo war eigentlich Süden?
    Torak machte ein paar zögerliche Schritte, stolperte aber dauernd. Das Eis war so uneben, so bucklig …
    Bucklig. Der Wind formte den Schnee zu niedrigen Höckern und Graten, und er kam vorwiegend von Norden!
    »Danke, Wind!«, rief Torak. Er dankte auch Inuktiluk, weil der ihm geraten hatte, ein Opfer darzubringen. Offenbar hatten die Keilerhauer dem Wind gefallen, sonst hätte er ihm jetzt wohl kaum geholfen.
    Mit den dicken Handschuhen betastete Torak die Eisgrate. Dann stand er auf und gab sich einen Ruck. »Noch bin ich nicht tot«, rief er den Dämonen zu. »Noch nicht!«
    Er stapfte los, nach Süden.

    Er kam quälend langsam voran. Ab und zu hörte er es mahlen und krachen und das Meereis unter ihm hob sich. Vor jedem Schritt stieß er den Knauf des Schneemessers auf den Boden, aber wenn er tatsächlich eine dünne Stelle erwischen sollte, nützte ihm das wahrscheinlich auch nichts.
    Was hatte Inuktiluk gesagt? Graues Eis ist neues Eis und sehr gefährlich … bleibt immer auf weißem Eis. Kein besonders nützlicher Rat, wenn man nichts sah und bei jedem Schritt einbrechen oder in einen Gezeitenriss fallen konnte.
    Torak kämpfte sich weiter voran. Die Kälte zehrte an seiner Kraft und allmählich schwächte ihn auch der Hunger. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er ohne Harpune und Augenlicht etwas Essbares auftreiben sollte.
    Irgendwann hörte er Flügelschläge. Der Himmel war ein verwaschener rötlicher Fleck, in dem er nicht einmal den dunkleren Fleck ausmachen konnte, der auf ihn zugeflogen kam.
    Eulen fliegen lautlos, demnach war es nicht die Adlereule. Außerdem kam Torak das kraftvolle, stetige Rauschen bekannt vor.
    »Wsch, wsch, wsch.« Der Rabe flog neugierig tiefer. Dann flatterte er mit abgehacktem Krächzen davon.
    Torak knurrte der Magen. Das Krächzen hatte gedämpft geklungen, als ob der Rabe etwas im Schnabel trug. Vielleicht hatte er ein Stück Aas entdeckt und war mit seiner Beute davongeflogen, um sie irgendwo zu verstecken. Vielleicht machte er ja noch einmal kehrt und holte sich mehr.
    Es dauerte nicht lange, da hörte Torak den Raben zurückkommen. Er lauschte erst, dann lief er los.
    Als er eben die Hoffnung aufgeben wollte, hörte er Fuchsgebell und vielstimmiges Rabengekrächz. Fleisch! Dem Lärm nach zu urteilen, waren es viele Vögel. Es musste etwas Größeres sein, vielleicht eine tote Robbe.
    Torak stieß sich den Fuß und fiel hin. Die Raben flatterten auf und das Gekläff des Fuchses klang verdächtig nach Gelächter.
    Torak streckte tastend die Hände aus. Was hatte ihn da zu Fall gebracht? Es war kein vom Wind geformter Grat, sondern ein glatter Buckel, etwa doppelt so groß wie Toraks Kopf. Unweit davon entdeckte er noch einen, und dann immer mehr, und zwar waren sie paarweise angeordnet und wanden sich in einer Schlängellinie übers Eis.
    Torak bekam Herzklopfen. Das waren keine gewöhnlichen Eisbuckel. Das war eine Fährte. Eine Eisbärenfährte. Inuktiluk hatte ihm beschrieben, wie das schwere Tier den Schnee zusammendrückt und der Wind den losen Schnee wegbläst, sodass erhabene Tatzenspuren zurückbleiben.
    Torak malte sich aus, wie sich die

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