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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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die Eberesche und sie tastete instinktiv nach ihrem Messer. Es war eine laue, aber stürmische Nacht und die Bäume ächzten. Hier und da sah man den schattenhaften Umriss eines niedrigen Felsens. Oder war es ein geducktes Tokoroth?
    Renn sprang auf. Es hatte keinen Sinn, hier herumzusitzen und sich zu graulen. Bis zum Adlerfelsen an der Westspitze der Insel war es höchstens ein Tagesmarsch. Am besten machte sie sich gleich auf den Weg, dann hatte sie gegenüber den Booten einen Vorsprung.
    Nach diesem Entschluss ging es ihr besser. Sie trat das Feuer aus und sammelte ihre Habseligkeiten zusammen.
    Als sie zwischendurch aufblickte, war sie verblüfft, dass Wolf schon wartend dastand. Er hatte ihren Entschluss vorausgeahnt, bevor sie sich dazu durchgerungen hatte.
    Das war keine Ausnahme. Torak nannte es sein »Wolfsgespür« und meistens fand Renn es spannend. An diesem Abend beunruhigte es sie eher. Es rief ihr in Erinnerung, dass ihr Wolf in vieler Hinsicht immer ein Rätsel bleiben würde, und das war hier an diesem windigen, von Tokoroth heimgesuchten Ort keine besonders tröstliche Vorstellung.
    Sie schulterte ihre Trage und folgte einem schmalen Hasenwechsel, der durch viele Senken führte und daher am meisten Schutz bot. Wolf trabte voran und blieb nur gelegentlich witternd stehen. Sein Schwanz hing locker herab, sein Nackenfell lag glatt an. Renns Befürchtungen verflogen und sie überließ sich ihren Gedanken.
    Es hat sich angefühlt, als wollte mir jemand die Gedärme herausreißen , hatte Torak gesagt. Es kam mir vor, als wäre ich ein Fisch.
    Renn fand das fast noch unheimlicher als irgendwelche Tokoroth. Torak war es auch nicht geheuer gewesen.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen. Es kam mir vor, als wäre ich ein Fisch. Das erinnerte sie an etwas – sie kam bloß nicht drauf, woran.
    Es hatte mit der Krankheit zu tun … aber inwiefern?
    Wuff!
    Wolfs warnendes Gekläff schreckte sie auf.
    Er stand reglos da, den Blick auf den See geheftet.
    Renn ließ sich sofort fallen und kroch bäuchlings hinter einen Wacholderbusch.
    Da unten. Im Wasser. Ein Boot.
    Es war zu dunkel, um richtig zu erkennen, wer darin saß. Renn sah nur, dass es ein Mann oder vielleicht auch ein Junge mit dem langen hellen Haar der Meerleute war. Er ruderte geräuschlos in die Richtung, wo die Robben ihr Lager hatten. Jedenfalls fast geräuschlos. Nur ab und zu hörte man das Paddel leise an die Bootswand schlagen.
    So wie er sich immer wieder umsah, war er darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden, und obwohl Renn gute vierzig Schritt entfernt war, hielt sie unwillkürlich den Atem an, als er dicht vor dem Ufer ins seichte Wasser stieg.
    Renn wusste, dass der See in einen Fluss mündete, der durch eine Schlucht in die Robbenbucht führte. Die Schlucht war zu steil und der Fluss zu reißend, als dass man diesen Weg nehmen konnte. Was hatte der Unbekannte vor? Die Robbenbucht erreichte man nur auf dem Weg über die kleinere Bucht mit dem weißen Sand, die ihr Tiu gezeigt hatte.
    Der Unbekannte zog sein Boot an Land und versteckte es. Dann verschwand er zwischen den Bäumen und hielt auf die kleine Bucht zu. Demnach gehörte er entweder selbst zum Robbenclan oder kannte sich auf der Insel gut aus.
    Renn war unschlüssig. Am liebsten wäre sie hinterhergegangen und hätte herausgefunden, wer der Mann war und was er vorhatte, andererseits brauchte sie gegenüber Torak und seinen Begleitern einen Vorsprung, sonst kam sie zu spät zum Adlerfelsen.
    Das gab den Ausschlag. Sie misstraute den Robben, sie durfte Torak nicht mit ihnen allein lassen. Auf nach Westen! Wenn es hell wurde, konnte sie immer noch der Spur des Ruderers nachgehen und herausfinden, was er vorgehabt hatte.
    Als sie aufstand, merkte sie, dass Wolf fort war, sich nach Wolfsart lautlos davongestohlen hatte. Bestimmt war er nur jagen gegangen, aber Renn hätte ihn lieber in ihrer Nähe gewusst.
    Sie gab sich Mühe, keinen Lärm zu machen, und legte Schutz suchend die Hand auf ihr Clanabzeichen. Dann wandte sie sich westwärts.

    Wolf war unruhig. Er hetzte mit großen Sprüngen zum Bau der hellfelligen Schwanzlosen und achtete vor lauter Eile kaum auf die Wühlmäuse, die sich am anderen Ufer des Stillen Nass tummelten, und auch nicht auf das Weibchen, das lärmend durchs Unterholz stürmte. Er musste sich unbedingt vergewissern, dass es seinem Rudelgefährten gut ging, und danach musste er dringend etwas fressen. Das Weibchen konnte er später wieder einholen.
    Sie hatte

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