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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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aufgebrochen waren, und wollte die vier Jungen verabschieden.
    Detlans kleine Schwester war den Tränen nahe. Sie war alt genug, um sich zu erinnern, wie die Krankheit ihre Sippe heimgesucht hatte, und jetzt ging sie allen damit auf die Nerven, dass sie jedermanns Hände immer wieder nach wunden Stellen absuchte.
    Asrifs Mutter war friedlicher als sonst, tätschelte ihren Sohn und ermahnte ihn bestimmt zum zehnten Mal, auf sich aufzupassen.
    Bales Vater drückte seinem Sohn etwas Kleines in die Hand und Bale bedankte sich leise. Sein Vater lächelte und seine blauen Augen blickten liebevoll.
    Als Torak die beiden beobachtete, gab es ihm einen Stich, aber dann dachte er an Wolf und Renn, und das half ein bisschen.
    »Ist das ein Amulett?«, fragte er Bale, als dieser zu ihm herüberkam und sein Boot einer letzten Prüfung unterzog.
    Bale nickte. »Eine Rippe von der ersten Robbe, die ich erlegt habe. Fa hat den Knochen mit einem Kormoranschlund umwickelt, damit er mich bei Sturm an Land trägt. Was hast du eigentlich für ein Amulett dabei?«
    »Gar keins, aber als ich noch im Wald gelebt habe, hatte ich immer das Messer meines Vaters und das Medizinhorn meiner Mutter bei mir.«
    Bale schien zu überlegen. Dann lief er zu den Hütten und kam kurz darauf mit einem länglichen Lederbündel zurück. »Deine Amulette. Tenris hat gemeint, du darfst sie wiederhaben.«
    Torak schlug das Leder auseinander und fand das blaue Schiefermesser, seinen Medizinbeutel und das aus Hirschgeweih gefertigte Horn. »Danke«, sagte er leise, aber Bale war zu beschäftigt, um es zu hören.
    Sie brachen ohne große Umstände auf. Anfangs hatte Torak genug damit zu tun, nicht über Bord zu fallen, aber als sie um die Landzunge herumfuhren, wagte er es, sich kurz umzudrehen. Tenris stand unter dem Walbogen und sah ihnen nach. Der Anblick beunruhigte Torak. Es sah aus, als wollte der Wal den Robbenschamanen verschlingen.
    Sie paddelten nach Westen und machten gute Fahrt, begleitet von Heringsmöwen und Alken. Dann kam ein leichter Wind auf und kräuselte das Meer, sodass es an das runzlige Gesicht einer Greisin erinnerte.
    »Heute ist sie friedlich«, bemerkte Detlan und lenkte sein Kanu neben das von Torak.
    Torak war skeptisch. Trotz Tenris’ Tarnzauber hielt er unwillkürlich die ganze Zeit nach schwarzen Rückenflossen Ausschau. Jedes Mal wenn ein Fisch aus dem Wasser schnellte oder der Schatten einer Möwe über den Bootsbug glitt, fuhr er zusammen. Kerbfinne konnte überall sein, auch unter dem Boot.
    Sie ruderten den ganzen Vormittag. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel und die Küste glitt gemächlich vorüber. Torak war selbst überrascht, dass er nicht hinter die anderen zurückfiel, doch nach einer Weile wurde er vom stetigen Takt der Paddelschläge schläfrig.
    Er spähte blinzelnd über den Bootsrand, als er unter sich einen rasch größer werdenden schwarzen Umriss sah.
    Sofort war er hellwach. Das Boot schwankte bedenklich. Er wollte den anderen etwas zurufen, aber die Warnung blieb ihm im Halse stecken.
    Neben seinem Paddel tauchte ein schmaler grauer Kopf auf und schüttelte sich die Tropfen aus dem Schnurrbart. Dann gähnte die Robbe, entblößte dabei die scharfen Zähne und betrachtete Torak neugierig mit sanften Augen.
    »Puh!«, schnaufte Torak erleichtert.
    Auch die Robbe schnaufte und öffnete dabei weit die Nasenlöcher. Ihr glattes graues Fell war mit dunklen Ringen gesprenkelt. Das erklärte, weshalb sie so zutraulich war. Sie wusste genau, dass ihr niemand etwas zuleide tat.
    Bale hatte sie auch gesehen. Er kam grinsend längsseits gepaddelt. »Die Clanhüterin! Jetzt kann uns nichts mehr passieren!«
    Die Robbe ließ sich faul auf dem Rücken treiben, wölbte die Schwanzflossen über dem Leib und sah den Ruderern nach, dann schloss sie mit einem leisen Uff die Nasenlöcher und tauchte ab.
    Vielleicht lag es an der Begegnung mit der Clanhüterin, jedenfalls ließ sich Kerbfinne nicht blicken, und sie kamen so gut voran, dass sie am späten Nachmittag eine kleine Bucht anliefen, um sich eine Weile auszuruhen.
    Es war Ebbe und der Schlick war mit Tang und den dreizehigen Spuren von Austernfischern übersät. Bale und Asrif machten Feuer und gingen anschließend ihre Wassersäcke auffüllen, Detlan zeigte Torak, wie man nach Scheidenmuscheln gräbt. Bald lag ein Häufchen länglicher brauner Schalen vor den beiden. Sie garten die Muscheln in der Glut und diesmal mundete es Torak schon besser. Wahrscheinlich

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