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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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gewöhnte er sich allmählich an den Geschmack.
    Dazu gab es die harten Stängel einer Wasserpflanze, die Asrif gepflückt hatte. Sie schmeckten wie salziges grünes Eis, und Torak aß sie bloß, um nicht unhöflich zu sein. Die gerösteten, klebrig süßen Eibischwurzeln sagten ihm schon eher zu. Sie aßen schweigend, und Torak fand es sonderbar, dass er sich in Gesellschaft dieser Jungen so wohl fühlte, obwohl sie ihn erst vor vier Tagen gewaltsam gefangen genommen hatten.
    Am frühen Abend bestiegen sie wieder die Boote. Torak taten Arme und Beine weh, außerdem nickte er immer wieder ein und schrak erst auf, wenn ihm das Paddel aus den Händen zu gleiten drohte. Die Robbenjungen paddelten munter drauflos, das lange, helle Haar flatterte hinter ihnen her.
    Torak hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass sie noch einmal Rast machen würden, als er fernes Vogelgekrächz vernahm. Er kniff die Augen zusammen und sah mitten im Meer einen schroffen Felsen aufragen. Die Kuppe war wie die Finne eines Jägers geformt und um die Spitze kreisten dunkle Punkte.
    Adler, dachte er.

    »Du willst wirklich da hoch?« Torak legte den Kopf in den Nacken.
    »Ist ja nicht das erste Mal«, erwiderte Asrif achselzuckend, aber sein Gesicht war grau wie feuchter Sand.
    »Ein Mal«, brummelte Bale, »ein Mal warst du bis jetzt oben. Aber nicht ganz oben, wo sie nisten.«
    Sie standen am Fuß des Adlerfelsens auf einer Reihe niedriger Felsblöcke, die erst dem Küstensaum folgten und dann wie eine ausgestreckte Klaue ins Meer hinausreichten. Dort draußen hatten sie auch ihre Boote festgemacht, »damit er keins zertrümmert, wenn er abstürzt«, wie Bale gemeint hatte.
    Noch nie hatte Torak so einen steilen Felsen gesehen. Seine schroffen Flanken waren vom Frost vieler Winter zerklüftet, dunkelrot wie rohes Walfleisch und über und über mit Vogelkot bekleckert. Es stank so schauderhaft, dass Torak würgen musste, und von dem Vogelgeschrei brummte ihm der Schädel.
    Hatten ihn schon die vielen Vögel in der Robbenbucht beeindruckt, ging es hier noch viel ärger zu. Zwischen die auf den untersten Felsvorsprüngen kauernden Kormorane passte keine Feder mehr, weiter oben drängelten sich ganze Schwärme von Alken und noch weiter oben kabbelten sich Dreizehen- und Heringsmöwen. Auf den obersten Felszacken hatten die Adler ihre riesigen, unförmigen Horste gebaut.
    »Manche Nester sind hunderte Winter alt«, raunte Bale, »und manche Adler über fünfzig.« Trotz des Lärms dämpfte er die Stimme, was Torak gut nachvollziehen konnte. Sie hatten nicht nur die Adler zu fürchten. Der Felsen selbst war auf der Hut und würde jeden ungebetenen Eindringling abwerfen. Die geborstenen Gesteinsbrocken an seinem Fuß konnten nur eines bedeuten: Steinschlag.
    Trotzdem erklommen die Robbenmänner laut Bale gelegentlich den Felsen, wenn sie zu wenig Wild erbeuteten und in der Nähe ihres Lagers nicht genug Eier fanden. Daher rührten auch die Steine, die in gewissen Abständen als Haltegriffe in Felsspalten gezwängt waren und bis zum untersten Adlerhorst führten, der in schwindelnder Höhe thronte.
    Dort mussten sie hinauf, obwohl Torak nirgends etwas wachsen sah, schon gar nicht die Selikpflanze, die ihm Tenris folgendermaßen beschrieben hatte: »Sie ist klein, etwa eine Hand hoch, hat grauviolette Blätter und wie Adlerklauen gebogene Wurzeln.«
    Torak bekam einen steifen Hals und rieb sich den Nacken. »Wer hat die Griffsteine angebracht?«, erkundigte er sich.
    »Der Großvater meines Großvaters«, antwortete Bale. »Allerdings müssen wir sie jedes Mal versetzen, wenn sich der Felsen regt.«
    »Meistens klettern wir nicht bis zu den Nestern«, ergänzte Asrif.
    »Grade jetzt ist es besonders ungünstig, weil die Adler Junge haben«, fügte Detlan an. »Bestimmt glauben sie, dass Asrif denen was tun will.«
    »Hoffen wir, dass sie klüger sind.« Bale holte einen dürren graugrünen Stängel aus dem Beutel an seinem Gürtel und brach ihn in vier Teile. »Hier«, sagte er und verteilte die Stücke.
    Detlan und Bale steckten ihr Stück in den Mund und kauten darauf herum, Torak betrachtete seines misstrauisch. »Was ist das?«
    »Felsenkraut«, nuschelte Bale mit vollem Mund. »Damit einem nicht schwindlig wird.«
    »Ich dachte, Asrif steigt alleine hoch.«
    »Richtig, aber vom Hochschauen kann einem genauso schwindlig werden wie vom Runterschauen.«
    Das Kraut schmeckte bitter, aber Torak fühlte sich sofort wacher.
    Er sah zu, wie Detlan Asrif

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