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Chronik der Nähe

Chronik der Nähe

Titel: Chronik der Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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ein schönes kleines Hotel,
vielleicht auch Hamburg, zusammen eine neue Stadt, neulich wieder habe ich dich
gefragt, hm ja, hast du gesagt, das wäre was, aber ich wollte etwas mehr als
nur so ein spärliches Hm. Ich wollte die ganz große Begeisterung:
    â€“ O ja, mein Schatz, das machen wir, komm, wir schauen mal nach
einem Termin, Unsinn, natürlich habe ich immer Zeit für dich, für dich doch
immer.
    Das will ich, das ist die Geschäftsgrundlage, das kann ich ja wohl
mindestens verlangen:
    â€“ Wie schön, dass du dir so etwas überlegst, ich freu mich.
    Und dann, dann würden wir zwei es uns sehr nett machen, das kann ich nämlich sehr gut, und du
weißt, dass ich es kann. Das habe ich, ja, das habe ich von dir. Früher auf
unseren Reisen zu dritt haben wir uns etwas gegönnt, Papa hat genug verdient,
und wir haben es uns damit richtig schön gemacht, das stimmt: viel gegönnt,
gute Reisen, Papa fuhr uns im Citroën nach Norden, nach Süden. Er hatte alles
gut vorbereitet: mit dem Ruderboot auf dem schwedischen See, auf dem Karussell
in Wales, Zikaden, Konzerte, Käse und Wein, die Hundewelpen in Holland, fast
hätte ich einen mitgenommen. Papa wartete gelassen, legte dir seinen Parka um,
wenn es in Wales wieder regnete, holte das Mückenspray und sprühte dir die
Beine, mir die Schulter ein, er fand blaue Flecke im schwergrauen Ferienhimmel,
bis du endlich sagtest:
    â€“ Gehts uns nicht gut, uns geht’s doch so gut, Kinder, was geht uns
das gut.
    Das war der Segen, die Begeisterung, meine einzig gültige Währung
bis heute, und ich stimmte begeistert ein: Ja, uns
geht’s wirklich wirklich gut.
    Deine Freude an mir, über mich, an uns, die muss ich kriegen, aber
die ist schwer zu haben, ganz schwer, dafür muss ich mich kräftig ins Zeug
legen, und das tue ich auch, faul bin ich nicht, liege ja nicht auf der faulen
Haut. Ich arbeite: früher mit Geschenken, mit Blicken, mit kleinen Gaben, ein
Blumensträußchen, selbst gebastelt, gemalt, geklebt, geschrieben, immer wieder
geschrieben auf Zettel: Ich hab dich so lieb. Im Einkaufszentrum ein kleines
Parfum, vom Taschengeld gekauft, das dann neben dem Telefon stand zur
Erfrischung bei Telefonaten.
    Und wenn dein Blick nicht auf mir ruht, weil du in dich
hineinhorchst oder Kopfschmerzen hast und die Augen zumachst: Achtung,
Kopfschmerz, oder wenn dein Blick gar nicht ruht, sondern herumirrt, dann habe
auch ich keine Ruhe. Diese Kopfschmerzen, die ich dir ansehe, bevor du sie
hast. Ich kenne alle Anzeichen, auch die unsichtbaren, den leicht verschobenen
Mund, die abwesenden Blicke, die halb geschlossenen Augen, schnell wieder
aufgerissen, damit niemand merkt, dass es wieder losgeht.
    â€“ Geh doch mal zum Arzt.
    â€“ Ach, das geht schon.
    â€“ Mama, da kann man sicher was machen.
    â€“ Ach was, Kopfschmerzen sind eine Volkskrankheit, lass mich einfach
in Ruhe, dann geht es schon weg, sag nur Papa nichts davon.
    Und jetzt in der Klinik: Du musst deine Augen aufkriegen, sonst wird
das nichts, wie soll ich mit dir verreisen, wenn du die Augen zusperrst, dann
siehst du ja nichts und kannst gleich zu Hause bleiben.
    Deine geschlossenen Augen: Schon als ich klein war, wollte ich sie
aufzupfen, fasste die Augenlider an den Wimpern und zog sie sanft nach oben,
damit ich wieder gesehen wurde von dir.
    Na, komm schon, mach sie auf, die Augen öffnen und mir ins Gesicht
schauen, ja, da war ich wieder, alles fast in Ordnung,
    Und manchmal, wenn dein Blick nicht auf mir ruhte, musste ich in
deiner Nähe bleiben, bis du mich sahst, das konnte dauern, mal kürzer, mal
länger. Ich musste dir etwas erzählen, das dich erheitern würde, oder etwas
erzählen, das dich berühren würde, oder etwas von mir erzählen, das du
verstehen würdest, so wie heute Morgen, aber früher war ich besser.
    â€“ Mama, heute hat die Karin in der Schule was ganz Ekliges gemacht,
soll ich dir erzählen, was.
    Du schütteltest kaum merklich den Kopf, ich ließ mich nicht beirren.
    â€“ Die Karin, die hat neben dem Strauch am Tor einen Regenwurm
gefunden und hat ihn – ich machte eine wirkungsvolle Pause, du öffnetest die
Augen einen Moment, und ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war.
    â€“ Die hat ihn dem Bernd in sein Federmäppchen geklemmt, unter so
eine Gummischlaufe, wo sonst die Radiergummis sind, weißt du, Mama.
    Oder ich musste dich ärgern:
    â€“ Du

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