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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Torfgrundes in den noch tieferen Schatten der Festungsmauern schlich.
    Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Mauer und sah eine Weile zum Mond hinauf. Erst musste ich wieder zu Atem kommen und nachdenken. Ich war überrascht, wie verängstigt ich war.
    „Nächstes Mal nehmen wir was Kleineres, Cù Chaorach! Halt lieber ein bisschen mehr Abstand!“, hörte ich Calman Ruadhs Stimme durch die Nacht hallen.
    Ich hielt die Luft an, bis meine Lunge brannte, und wartete geradezu darauf, dass er hinterherschrie: Das Mädchen ist so gut wie tot und dein herumschleichender Bruder auch! Aber es blieb still, abgesehen von einem vereinzelten Lacher oder einem gedämpften Schluchzen aus der Festung. Conal hatte anscheinend eine Finte versucht oder sich der Festung sogar offen genähert. Der Tod dieses Mannes war jedenfalls kein Zufall. Sie haben dich nicht gesehen, sagte ich mir immer wieder. Sei nicht so ein Feigling.
    Das hier war keine Burgwehr. Diese Mauer hatte ich schon Hunderte Male erklommen. Niemand hatte mich entdeckt. Wovor hatte ich also Angst? Catriona nie wiederzusehen? Hier zu sterben und sie ihrem weiteren Lebe n – und ihrem To d – ohne mich zu überlassen? Sie schutzlos Ruadh und seinen Männern auszuliefern? Ich hoffte, Conal würde klug genug sein, ihr die Kehle durchzuschneiden, bevor es dazu kam. Ich hoffte vor allem, dass er dann noch die Zeit dazu hätte.
    Ich musste aufhören zu grübeln.
    Ich wischte mir die Handflächen an meiner Hose trocken und ließ sie über das kalte, tote Mauerwerk wandern. Ich kannte diese Steine, sie waren aus dem Fels meiner Heimat gehauen, trugen das Blut und den Schweiß meiner Vorfahren in sich. Ich kannte die Steine, ich kannte sie gut. Meine Fingerspitzen fanden einen Spalt, meine Zehen noch einen. Ich begann den Aufstieg.
    Aber ich hatte die Schmerzen in meinem Kopf unterschätzt. Rionnas Schutzwall fühlte sich an, als hätte ich Eisbrocken unter der Schädeldecke. Auf halbem Wege musste ich innehalten und mich wie eine Spinne an ihrem Faden an den Armen von der Mauer baumeln lassen. Ich presste den Kopf gegen den Stein, als könnte ich das Stechen in meinem Schädel zerquetschen, und fragte mich, ob sie mich mit Absicht so quälte. Lange Zeit war mir vor Schmerzen schwarz vor Augen, ich rieb meine Stirn an der Steinmauer, bis ich mir die Haut aufschürfte. Das lenkte mich zumindest von den dröhnenden Kopfschmerzen ab. Aber nun lief mir das Blut über die Augenbrauen und würde mir gleich in die Augen rinnen.
    Stimmen hoch über mir. Ich verstand jedes Wor t – nicht, dass mir das etwas genützt hätte. Die Wachen plauderten miteinander, dummes, grausames Zeug. Ich zählte drei, noch immer flach an die Mauer gedrückt, während meine Finger und Zehen vor Schmerz wie Feuer brannten. Ich hörte die Stimmen so deutlich, dass ich davon ausgehen musste, dass die Männer sich über die Brüstung gelehnt hatten. Doch dann verklangen die Stimmen langsam, Schritte entfernten sich und der Schmerz in meinem Kopf ließ nach.
    Rionna. Sie hatte die Wachen wohl in meine Richtung kommen sehe n – und gehandelt.
    Danke, brachte ich nur heraus.
    Ich erhielt keine Antwort.
    Nach oben hin waren die Steine sehr viel besser gehauen und sorgfältiger verputzt. Es wurde schwerer, Halt zu finden. Die Mauer war mir auch an dieser Stelle immer noch vertraut, und wäre ich nicht so durchgefroren und verängstigt und blutverklebt und halb blind gewesen, wäre mir der Aufstieg leichtgefallen. Es waren die Steine meiner Heimat, aber ich wollte nicht, dass sie das Letzte waren, was ich je unter meinen Handflächen zu spüren bekam. Ich versuchte, nicht an Catrionas samtene Haut zu denken, an ihre stoppeligen und doch seidenweichen Haare, an ihren fein geschnittenen Kopf. Ich versuchte diese Gedanken so sehr zu unterdrücken, dass ich gar nicht bemerkte, wie meine rechte Hand statt einer weiteren Furche bereits das obere Ende der Brüstung ertastete.
    Ich wusste noch nicht, was genau mich dort oben erwartete, aber der plötzliche stechende Schmerz in meinem Kopf war ein Indiz dafür, dass Rionna es wusste. Ich zog mich mit Schwung hinauf und über die Brüstung und fiel bäuchlings in den Schatten der Zinnen.
    Schon jetzt konnte ich mein Glück kaum fassen, hier oben angekommen und noch am Leben zu sein. Ich war davon ausgegangen, dass Rionna mich von hier an meine eigene Blockade errichten ließe, aber da hatte ich mich getäuscht. Vermutlich erleichterte sie Conal auf diese Weise, meine

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