Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Bluten.“
Ich warf Torc einen Seitenblick zu, aber der zog nur eine Augenbraue hoch.
„Schön, dass du dich schon mal warm spielst, Rionna“, sagte ich.
„Was meinst du, warum ich sonst bei eurem irren Vorhaben mitmischen würde?“, gab sie zurück.
„Stimmt es, dass sie ’ne Hexe ist?“, flüsterte Torc mir ins Ohr.
„Bei allen Göttern, nein!“ Ich sprach absichtlich laut. „Uns ist es nicht gestattet, sie als Hexe zu bezeichnen!“
„Hör schon auf“, ging Conal abwesend dazwischen. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Mauern und die Verteidigungsanlagen zu begutachte n – und die drei Erhängten, die von der Nordmauer baumelten. Zwei Männer und eine Frau. Alles unsere Leute.
„Die waren nicht so begeistert von der Idee, die Festung zu verteidigen, Cù Chaorach“, rief Calman Ruadh. „Arbeitsscheues Pack! Auf die kannst du gut verzichten.“
„Antworte ihm nicht, Conal“, murmelte Angus. „Verschaff ihm nicht diese Genugtuung.“
Conal schnaubte vor Wut, blieb aber tatsächlich stumm.
Ich ritt ein Stück näher heran, um mir den Besatzer genauer anzusehen. Sein Haar war rot und kurz geschoren, seine Augen leuchteten genauso hell wie seine Wimpern. Ein gut aussehender Mann, das musste man ihm lassen.
„Calman Ruadh!“, rief ich hinauf. „Wem soll ich deine Eier geben, wenn ich sie dir abgeschnitten hab? Meinem Wolf oder meinem Pferd? Oder soll ich sie dir selbst ins Maul stopfen, damit du endlich aufhörst zu quieken?“
Rionna schnalzte missbilligend mit der Zunge, aber Angus lachte. „Murlainn, was sollen wir nur mit dir machen?“ Er knuffte mich hart in die Rippen. „Und vor allem, was sollen wir nur ohne dich machen?“
„Das werdet ihr hoffentlich nie herausfinden müssen“, gab ich zur Antwort. Angus war mir mittlerweile doch etwas ans Herz gewachsen, jetzt wo er nicht mehr mein Hauptmann war. Rionna würde ich vermutlich nie mögen, aber man kann schließlich nicht alles haben.
Calman Ruadh fuhr uns wieder in die Parade. „So, meine lieben Verräter, jetzt seid schön brav und bleibt erst mal da unten, bis ich mir überlegt habe, was ich mit euch anstelle. Wenn ihr allerdings näher kommen woll t – bitte schön, dann schicke ich die hier derweil ihren Vater besuchen.“
Mit diesen Worten zog er eine kleine Gestalt gewaltsam zu sich auf die Brüstung.
„Götter!“, entfuhr es mir. Alle anderen blieben still.
Es war Undans neunjährige Tochter, die er bei einem Saufgelage in der Festung nach einer großen Schlacht gezeugt hatte. Sie war nicht Kennas Tochter, aber Kenna war das Mädchen so sehr ans Herz gewachsen, dass sie sich seiner angenommen hatte, als die leibliche Mutter starb. Ich erinnerte mich, wie sie als Dreijährige in der Schmiede herumgetollt war, sich halb hinter Eili versteckt, mir die Zunge herausgestreckt hatte. Ihre Hände waren vor ihrem Körper zusammengebunden und man sah, dass sie tapfer ein Zittern unterdrückte. Eine dünne Schlinge lag um ihren Hals.
„Ich hab sie bisher am Leben gelassen.“ Calman genoss diesen Augenblick sichtlich. „Ich dachte, vielleicht brauche ich sie ja noch mal.“
„Ich hab mich entschieden“, murmelte ich. „Er bekommt seine Eier persönlich zum Frühstück serviert.“ Doch mein Lachen blieb mir im Halse stecken. Auch von den anderen lachte keiner.
„Ich könnte sie ohne Weiteres hier an der Mauer baumeln lassen. Das würde ich mir an eurer Stelle überlegen, ihr zartes Hälschen ist nämlich sehr zerbrechlich. Also, ihr wartet da unten, wie ich’s gesagt habe. Wenn ihr hochkommt, wird sie gehängt. Ich muss noch ein paar Dinge für euch vorbereiten. Und ihr werdet gewiss voll und ganz auf eure Kosten kommen.“
„Mist!“, entfuhr es mir. „Ich und meine große Klappe.“
„Wenn irgendeiner von euch sich Kates Gnade unterwerfen will, habe ich damit kein Problem.“ Conal verzog das Gesicht, als würde ihm ein Höllenhund die Füße lecken.
Einige seiner Gefolgsleute hatten sicherlich daran gedacht, aber niemand sagte ein Wort. Noch nicht.
„Überraschungsangriff?“, schlug Ryan vor. Es klang, als würde er das kleine Einmaleins der Burgbelagerung zitieren.
„Wenn du das Kind hängen sehen wills t …“, sagte Conal bitter. „Undans letzten noch lebenden Sprössling? Also ich kann gut drauf verzichten.“
„Jemand muss das Festungstor öffnen“, sagte Ranald. „Sonst sind wir geliefert.“
„Das haben die offensichtlich schon versucht.“ Craig deutete mit dem Kopf auf die
Weitere Kostenlose Bücher