Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Belustigung versetzte mir einerseits zwar einen Stich, war andererseits aber auch beruhigend. Ich wusste, dass Conal mich nicht anlügen würd e – und dass er mich auch nur dann auslachte, wenn er es sich überhaupt nicht mehr verkneifen konnte.
„Und wann kriege ich dann einen?“, fragte ich.
„Einen richtigen Namen?“ Schulterzuckend zog er den Kamm aus der Mähne. „Wenn er gefunden ist.“
„Warum kannst du nicht jetzt einen finden? Oder mir einfach irgendeinen geben?“
„So funktioniert das nicht, und das weißt du auch.“
„Eili und Fox haben ihre Namen schon“, murmelte ich.
„Es ist aber auch das Einzige, was sie haben. Sie waren schon Eili und Fox, kaum dass sie geboren waren. Bei dir ist da s … komplizierter.“
Ich wollte aber nicht kompliziert sein. Ich wollte meinen eigenen Namen haben.
Er seufzte. „Sieh es doch mal so: Eigentlich hast du Glück. Du wirst immer zwei Namen haben, genau wie ich. An die Geburtsnamen von Eili und Fox kann sich heute keiner mehr erinnern.“
„Aber alle anderen haben doch auch einen Geburtsnamen.“
„Das stimmt nicht. Den meiner Mutter kennt zum Beispiel niemand.“
Das liegt nur daran, dass sie eine Hexe ist, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
„Das hab ich gehört, Grünschnabel.“ Conal grinste. „Und Griogair hat seinen richtigen Namen erst bekommen, als er älter war als ich jetzt.“
„Griogair hat auch einen anderen Namen?“
„Allerdings.“
„Wirklich?“ Ich zögerte, aber nur kurz. „Wie lautet er?“
„Griogairs Name?“ Auch Conal zögerte. „Fitheach.“
Oh. Fitheac h – der Rabe. In einem Augenblick wilder, unerträglicher Wut fragte ich mich, ob Leonora sich deswegen einen Hausraben hiel t – um ein passendes Pärchen zu haben.
„So nennt ihn aber niemand“, sagte ich.
Conal legte sich seufzend die Fingerspitzen an die Schläfen. „Doch, wir alle nennen ihn so. Zumindest innerhalb dieser Mauern.“
Also war ich der Einzige in der Festung gewesen, der den richtigen Namen meines Vaters nicht kannte. Würde es mein Leben lang so sein? Würde ich mein Leben lang so einen Groll im Herzen hegen? Zum Teufel damit, zum Teufel mit dem mächtigen Raben. Ich liebte ihn doch.
Natürlich liebte ich auch Conal, war ihm treu ergeben, aber dennoch beneidete ich ihn. Ich neidete ihm Griogairs Liebe. Und Eilis Heldenverehrung. Und das Pferd, das er hatte.
Ich sehnte mich nach diesem Tier so sehr, dass es beinahe körperlich wehtat, und Conal wusste das nur zu gut. Er wusste auch, dass ich es niemals würde haben können, und vielleicht tat ich ihm deswegen leid. Denn sobald das Pferd sich an mich gewöhnt hatte und ich bewiesen hatte, dass ich mit ihm umgehen konnte, ließ er es mich füttern und striegeln. Reiten durfte ich es aber nie, jedenfalls nicht, wenn Conal nicht auch auf seinem Rücken saß.
Ich wusste, was dieses Pferd war, wusste es, noch bevor ich ihm das erste Mal sein Futter mischte und den abgezogenen, gevierteilten Hasen bereitliegen sah. Die schwarzen Augen waren unmöglich fehlzudeuten, diese Augen, die glanzlos und flach waren wie bei einem todbringenden Fisch. Mehr als einmal hatte ich gesehen, wie bei dem Pferd, wenn es ungehalten oder zornig war, die Kiemen an seinen Wangenknochen aufklafften und den Blick auf schwammiges, rotes Fleisch freigaben. Es überraschte mich nicht, dass die Stallburschen sich nicht in seine Nähe wagten, aber das war reiner Aberglaube. Schließlich hatte Conal das Tier auch unter Kontrolle. Er hatte das Zaumzeug.
Das Zaumzeug allein ließ ihn das Tier jedoch nicht beherrschen. An den meisten Tagen bekam ich das Zaumzeug zum Säubern, während Conal das Striegeln übernahm, und trotzdem hätte ich es nie gewagt, das Pferd allein zu reiten. Es bereitete mir große Freude, das Zaumzeug zu reinigen, mit derselben Hingabe schliff ich Conals Schwert, denn eines war so schön wie das andere. Das Zaumzeug war aus weichem, schwarzem Leder gefertigt, Schnallen und Kandare aus massivem Silber, Nasenriemen und Trense mit ziseliertem Silber verziert. Es war eine Menge Arbeit, es sauber zu machen, aber ich erledigte diese Aufgabe mit glühendem Besitzerstolz und ließ keinen der Stallburschen je Hand anlegen.
Conal sah mich an, während er mit der Bürste über die glänzend schwarze Flanke des Pferdes strich. Das Tier schnaubte wohlig und warf den Kopf zur Seite, um an Conals Haaren zu knabbern. „Wird dir das denn nie zu viel?“, fragte er.
„Nein.“ Ich kratzte mit dem
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