Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Weißt du das denn nicht?“
Ich sah ihn nur an.
„Nein. Nein, du weißt absolut nichts von Familie, wie solltest du auch? Aber es ist die Wahrheit, hörst du?“ Er fuhr mir mit den Fingern durch das zerzauste Haar. „Sieh mal, ich habe etwas für dich.“
Er bückte sich, hob eine weiche Stoffrolle auf, die er zuvor auf den Boden hatte fallen lassen, und faltete sie vorsichtig auseinander. Darin befand sich etwas, was erst wie ein Bündel Lederriemen aussa h – bis Conal es mit einem Zeigefinger anhob und ich erkannte, was es war: ein Zaumzeug aus schwarzem Leder, ganz schlicht, aber weich und glatt und wunderschön gearbeitet. Die Kandare war aus massivem Silber. Stumm starrte ich das Zaumzeug an.
„Da ist ein Hengstfohlen bei Dubh Loch“, erklärte Conal, als ihm klar wurde, dass ich kein Wort herausbringen würde. „Ein wahres Prachtexemplar. Sieht bösartig aus. Hat erst neulich einen Mann getötet. Es braucht einen Herrn, der es einreitet.“
Ich wagte es kaum, den Gedanken zu Ende zu denken. „Du gehst doch weg“, stammelte ich.
„Ja, aber wenn ich wieder da bin, helfe ich dir mit seiner Ausbildung“, sagte Conal. „Außerdem ist es nicht meine Aufgabe, das Pferd einzureiten. Dieses Tier und du, ihr seid wie füreinander geschaffen“, fügte er trocken hinzu.
Ich streckte eine zitternde Hand aus und strich über den Wangenriemen. Weich wie Lammleder glitt es unter meinen Fingerkuppen dahin. „Du kannst mir das unmöglich schenken.“ Meine Stimme war heiser und kratzig.
„Warum nicht?“
Weil mir noch nie jemand etwas geschenkt hat, wollte ich sagen, und ich nicht weiß, wie das ist, in jemandes Schuld zu stehen. Ich weiß nicht, wie man Danke sagt, ich weiß nicht, wie man dankbar ist. Ich weiß einfach nicht, wie das geht.
„Ich erwarte nichts dergleichen von dir“, sagte Conal schroff. „Und jetzt nimm das verdammte Ding endlich.“
Wie dicke Seidenstränge glitten die Riemen zwischen meinen Fingern hindurch und meine Haut prickelte. Das Zaumzeug war nagelneu und makellos und jetzt erst wurde mir bewusst, dass es nicht einfach irgendein gebrauchtes altes Ding war, das er irgendwo in einer Kiste gefunden hatte. Er hatte das Zaumzeug in Auftrag gegeben, hatte dem Gerber und dem Schmied genau erklärt, wie er es haben wollte. Er hatte es für mich machen lassen, nur für mich.
Ich sprang auf und rannte weg, hastete den felsbespickten Abhang so schnell hinunter, dass ich mir leicht hätte den Hals brechen können. Mittlerweile war die Flut wieder gekommen und leckte über den weißen Sand, aber ich rannte trotzdem durchs Wasser, auch wenn ich dabei bis zu den Hüften nass wurde.
Als ich mein enges Zimmer zwischen Festungstor und Gerberei erreichte, warf ich die Tür hinter mir zu und lehnte mich keuchend dagegen. Langsam legte ich das Zaumzeug, das ich die ganze Zeit fest umklammert hatte, auf den Boden. Dann kroch ich ins Bett, drückte mein Gesicht ins Kissen und weinte es nass, aus Liebe und Dankbarkeit und weil mir nun alles genommen wurde.
6. Kapitel
U nd was passiert jetzt?“, fragte ich Carney, als wir auf dem Übungsplatz standen. Ich rappelte mich auf, klopfte mir den Sand von den Kleidern und humpelte zum Zaun, um mich dagegenzulehnen, bis ich wieder Luft bekam. Mein zerschundener Körper schmerzte, mir schwirrte immer noch der Kopf von dem Schlag, den Carney mir mit seinem Schwertgriff verpasst hatte. Und der Mistkerl war noch nicht einmal außer Atem.
„Du wirst jetzt deine Klinge auswickeln und sie eine Stunde lang schärfen“, sagte er. „Damit du eine Chance hast, in der Hölle zu bestehen, falls es darauf ankommt, du nutzloser Grünschnabel. Sofern du dich vorher nicht selber damit aufschlitzt.“
Während er sprach, wickelte er den Stoff von seinem eigenen Schwert, und ich beäugte die nackte Klinge mit Argwohn und Respekt. Es hatte schon genug wehgetan, mit der verbundenen Ausführung getroffen zu werden.
„Und danach“, fuhr Carney fort, „schaffst du deinen Hintern wieder hierher, damit wir mit dem Kurzschwert üben können. Dein Vater wäre mir sicher dankbar, wenn du nicht gleich in deiner ersten Schlacht aufgespießt wirst.“
„Meinen Vater würde es einen Dreck kümmern.“
Carney zuckte mit den Schultern, ohne mir zu widersprechen. „Dann tu es für deinen Bruder. Und wenn ich von deiner ersten Schlacht spreche, meine ich ganz bestimmt nicht die, die wir als Nächstes zu schlagen haben. Da würdest du bloß allen im Weg herumstehen. So
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