Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
wahr?“
Ich schüttelte den Kopf.
Die Herbstsonne wärmte uns und mit einem Mal war ich unglaublich müde. Aber das machte nichts. Conal schien nicht von mir zu erwarten, dass ich viel sagte. Als er meine Hand losließ, war die Stille zwischen uns wieder unbeschwert. Eine späte Biene summte über die Heide hinweg, Grashalme rauschten in der leichten Brise, ein Bussard ließ sich vom Aufwind in die Lüfte tragen. Matt lehnte ich mich bei Conal an, aber er beging nicht den Fehler, mir einen Arm um die Schultern zu legen, denn ich hätte ihn abgeschüttelt. Wir sahen zum glitzernden Horizont, in den kristallenen Himmel und hinüber zu den Inseln, die hinter der Meerenge lagen.
„Du bist ein guter Kämpfer“, sagte Conal scheinbar beiläufig. „Du musst noch lernen, dich besser zu beherrschen, aber du bist gut. An deinem Umgang mit dem Kurzschwert musst du noch arbeiten. Carney kann dir dabei helfen und bei der Armbrust auch. Übrigens, dein Gedanken-Schutzschild ist gar nicht übel, wenn auch manchmal etwas grob. Nicht unauffällig genug. Ich hatte wirklich Angst um dich neulich Nacht. Du solltest Eili bitten, dir ihre Tricks beizubringen, ja?“
Ich wirbelte zu ihm herum, aber er hatte wieder nach meiner Hand gegriffen und untersuchte sie eingehend. „Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte ich.
Seufzend presste er mir das feuchte Moos auf die Haut. Es fühlte sich jetzt warm an, genauso warm wie mein Blut.
„Ich werde weggehen, Seth.“
„Was?“
„Ich muss. Kate war da und hat mich von Griogair abberufen. Es handelt sich nicht um eine höfliche Einladung, sondern um einen Befehl. Ich soll Hauptmann an ihrem Hof werden.“
„Aber das kann sie doch nicht machen!“, schrie ich.
Conal lachte bitter. „Sie kann machen, was sie will, Seth. Sie ist unsere Königin.“
„Aber doch nur durch Beschluss!“ Als hätte ich irgendetwas von Politik verstanden.
„Ja, und der Beschluss ist zu ihren Gunsten ausgefallen“, gab Conal zurück.
„Das kann sie nicht machen“, stöhnte ich wieder und dachte verzweifelt darüber nach, wie ich verhindern konnte, dass Conal uns verließ. „Alasdair Kilrevin plant einen Angriff, das weiß jeder. Griogair braucht dich hier.“
„Mit Kilrevin wird Griogair schon allein fertig“, erwiderte Conal. „Das hat er bisher noch immer geschafft.“
Ich löste mich von ihm, um ihn richtig ansehen zu können. „Was hat die Hexe denn wirklich vor?“
„Das reicht jetzt.“ Er sah mir in die Augen. „Vergiss, was du gesehen und gehört hast, Seth. Kate hatte eine gewagte Idee, das haben Herrscher manchmal. Deswegen verfügen sie ja über Berater, die sie wieder auf den Boden der Tatsachen holen können. Und genau das wird in Zukunft eine meiner Aufgaben sein. Griogair war auch schon ihr Hauptmann und ihr Berater und jetzt bin ich an der Reihe. Du solltest deinen Herren gegenüber nicht immer so zornig sein, Seth. Das bringt nichts. Es macht dich nur verrückt.“
„Nicht so verrückt, wie sie längst ist“, murmelte ich.
„Pst!“, zischte Conal. „So darfst du nicht reden! Nicht einmal denken! Es wird alles gut werden. Und he!“, fügte er munter hinzu. „So hast du Eili bald für dich alleine. Sie wird mich im Handumdrehen vergessen haben.“
Nein, wird sie nicht, dachte ich. Und ich auch nicht. „Du bist stolz darauf, das machen zu dürfen, oder?“
„Ja, natürlich. Ich möchte nicht gehen, aber gleichzeitig erfüllt es mich mit Stolz. Und es ist nicht für immer, Seth. Nur für ein paar Jahre.“
Ja, und für uns waren ein paar Jahre gar nichts. Warum fühlte ich dann tief in mir diesen schrecklichen Schmerz des Verlusts, diese Verzweiflung? Wütend schluckte ich die Tränen hinunter.Ich konnte doch mit zwölf nicht wie ein Kleinkind heulen, das wäre eine Schande gewese n – und jetzt legte Conal mir doch einen Arm um die Schultern und drückte mich fest an sich. Ich schüttelte ihn nicht ab. Ich spürte seinen Geist in meinem, spürte, wie seine Kraft in mich hineinströmte. Ich wünschte, es wäre genug gewesen, aber das war es nicht.
„Du hast versprochen, du würdest immer für mich da sein.“ Ich konnte kaum sprechen und rieb mir hastig mit dem Ärmel übers Gesicht.
„Seth, natürlich werde ich immer für dich da sein, wenn du mich brauchst. Rufe kraft deines Geistes nach mir und ich werde es hören.“
Ich blickte ihn argwöhnisch an. „Wirklich?“
„Wir sind Brüder, Seth, Blut vom selben Blute. Natürlich bin ich für dich da.
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