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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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enttäuscht, beließ es aber bei einem knappen Nicken. »Wir sollten das Gespräch an einem sicheren Ort fortsetzen.«
    Andrej hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was die Signori di Notte unter einem »sicheren Ort« verstanden, aber er beeilte sich trotzdem, hinter der lang gestreckten Theke hervorzutreten. Der kleine Gastraum war mittlerweile menschenleer, bot aber einen chaotischen Anblick. Tische und Stühle waren umgeworfen und zum größten Teil zerbrochen, geborstene Krüge und zersplittertes Glas lagen in schimmernden Lachen ihres ehemaligen Inhalts, und Staub schwebte wie grauer Nebel in der Luft. Automatisch wollte er sich in die Richtung wenden, aus der er vorhin gekommen war, doch Rezzori schüttelte den Kopf und deutete tiefer in das Gebäude hinein. Da er spürte, dass Widerspruch sinnlos gewesen wäre, ging er gehorsam los, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, sich dem beschädigten Teil des Gebäudes zu nähern, statt sich so schnell und so weit davon zu entfernen, wie er konnte. Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, spürte er erneut ein sachtes Zittern unter seinen Füßen und hörte dann wieder jenen schrecklichen, stöhnenden Laut. Etwas knirschte, weit entfernt unter ihnen, und er konnte regelrecht spüren, wie eine weitere Stütze unter der Last der Jahrhunderte und des großen Gebäudes nachgab und brach.
    Eine halbe Sekunde später hörten es auch die anderen: Einen peitschenden Knall, gefolgt von einem tiefen Rumpeln, und dieses Mal hätte er seine übermenschlich scharfen Sinne nicht gebraucht, um zu fühlen, wie sich das gesamte Gebäude ein Stück zur Seite und nach hinten neigte. Mit einem gewaltigen Krachen zerbarst einer der schweren Balken, die die Decke trugen. Wie durch Zauberei blieb die eine Hälfte an Ort und Stelle und widersetzte sich trotzig den Gesetzen der Schwerkraft, die andere jedoch klappte wie eine riesige Sense nach unten, zertrümmerte die Theke und das mit Flaschen und Krügen gefüllte Regal dahinter und schlug ein fast mannsgroßes Loch in die Wand, dass Staub und Steinsplitter flogen und die erschrockenen Schreie der Bewohner des benachbarten Hauses zu ihnen drangen.
    »Schnell!«, befahl Rezzori. Sie begannen zu rennen. Corinna schrie protestierend auf, als ihr einer der Männer unsanft den Lauf seiner Muskete in den Rücken stieß, wahrscheinlich nicht einmal, um sie anzutreiben oder zu bedrohen, sondern einfach, weil er seine eigene Haut retten wollte. Andrej ergriff wieder ihre Hand und zog sie mit sich. Nachdem sie fünf oder sechs Schritte zurückgelegt hatten, gab auch der übrig gebliebene Teil des Deckenbalkens der Schwerkraft nach und sauste wie das Fallbeil eines übergroßen Schafotts nach unten.
    Einen Moment lang überlegte Andrej ernsthaft, herumzufahren und Rezzori und seine beiden Begleiter niederzuschlagen, um sie in dem zusammenbrechenden Gebäude zurückzulassen, was die einfachste Lösung gewesen wäre, waren sie doch auch die einzigen Zeugen für sein vermeintliches Verbrechen.
    Er erschrak über seinen eigenen Gedanken, noch bevor er ihn ganz zu Ende gedacht hatte, lief umso schneller und rammte die schmale Tür am Ende des Gastraums kurzerhand aus den Angeln, ohne langsamer zu werden. Hinter sich hörte er Rezzori erstaunt keuchen.
    Eine kleine, hoffnungslos verräucherte Küche nahm sie auf. In dem großen Herd brannte noch Feuer, aber Töpfe und Pfannen waren heruntergefallen, und auch hier traten sie auf zerbrochenes Porzellan und Glassplitter. Noch bevor Rezzori und seine beiden Begleiter hinter ihnen durch die Tür gestürmt kamen, erschien mit einem peitschenden Knall ein fast handbreiter Riss in der Wand, der sich vom Boden bis zur Decke zog. Das Haus zitterte jetzt nicht mehr, es wankte. Aus dem Gastraum drang ein gewaltiges Krachen und Bersten, und plötzlich war die Luft voller Staub und beißendem, heißem Rauch.
    »Schneller!«, schrie Rezzori überflüssigerweise und war vermutlich im nächsten Sekundenbruchteil höchst erstaunt, als Andrej gehorchte und in einem Tempo lossprintete, das ihn und seine beiden Begleiter weit zurückfallen ließ.
    Nach kaum einem Atemzug hatten sie die Küche durchquert, und Andrej gewahrte inmitten des brodelnden Rauchs eine weitere Tür, die mit einem fast handdicken Riegel verschlossen war. Ohne die geringste Mühe trat er sie ein, schleifte Corinna hinter sich auf den dahinterliegenden kleinen Innenhof und warf sich dann blitzartig zur Seite, als er eine Bewegung über

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