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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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noch am Leben, begriff Andrej, und Rezzoris Häschern nicht in die Hände gefallen. Er schwieg und konnte dem Signore ansehen, dass sich seine Geduld nun immer schneller ihrem Ende zuneigte.
    »Ich habe heute sechs Männer verloren, Signore Delãny«, sagte er. »Sechs gute Männer, für deren Wohl ich verantwortlich war. Und noch viel mehr wurden verletzt. Ein komplettes Haus wurde zerstört, und wäre nicht ein kleines Wunder geschehen, dann wäre die Katastrophe zweifellos noch sehr viel größer ausgefallen, und noch mehr Menschen wären zu Schaden gekommen. Also nennt mir einen einzigen vernünftigen Grund, aus dem ich Euch nicht auf der Stelle hinrichten lassen sollte.« Die Opfer, die es in Scalsis Spital gegeben hatte, erwähnte er nicht einmal, und Andrej fragte sich, ob er sie überhaupt als verlorene Menschenleben zur Kenntnis genommen hatte. Vermutlich nicht. Er schwieg weiter.
    »Ihr werdet mir sagen, wo ich Euren schwarzen Freund finde und die drei schwarzen Hexen, die meine Männer ermordet haben. Wenn Ihr das tut und mir helft, sie gefangen zu nehmen, lasse ich Euch und Euren Sohn gehen.«
    »Ihr wisst, wo Marius ist?«
    »Nein. Aber wir werden ihn finden.«
    Er log. Und ihm musste klar sein, dass Andrej wusste, dass er log. Offensichtlich war es ihm egal.
    »Und Corinna?«, fragte Andrej, statt auf seine Worte einzugehen.
    »Der Contessa geht es gut«, antwortete Rezzori. »Besser, als ich zu hoffen gewagt habe sogar. Sie hat großes Glück gehabt, und der Dummkopf, der auf sie geschossen hat, auch. Die Kugel hat sie offenbar um Haaresbreite verfehlt.«
    Das hatte sie nicht, und Rezzori musste das wissen. Der Mann war Andrej einfach ein Rätsel. Aber nur für einen ganz kleinen Moment, bevor er begriff. »Ihr mögt die Contessa sehr, habe ich recht?«, fragte er.
    »Ich bin ihrer Familie zu großem Dank verpflichtet«, antwortete der Signori. »Insbesondere ihrem Vater.«
    »Und ihr?«
    »Was ihrem Vater zugestoßen ist, hat ihr das Herz gebrochen«, erwiderte Rezzori. »Und noch mehr wohl das, was ihrem Bruder angetan wurde. Ich glaube Euch, dass Ihr nichts damit zu tun habt. Aber ich glaube auch, dass Ihr wisst, was damals geschehen ist.«
    »Vielleicht ist es besser, wenn alles so bleibt, wie es ist«, antwortete Andrej. »Es gibt Dinge, die man besser nicht wissen sollte, glaubt mir.«
    Rezzori sah enttäuscht aus, aber auch zornig. »Das bringt uns nicht weiter. Ihr zwingt mich, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht tun möchte.«
    »Wollt Ihr mich ein wenig foltern lassen?«, fragte Andrej und bemühte sich nicht einmal zu verbergen, dass ihn die Idee amüsierte.
    »Das hätte wenig Sinn, oder?«, fragte Rezzori. Er stand auf. »Aber es gibt vielleicht einen anderen Weg. Gebt Ihr mir Euer Wort als Ehrenmann?«
    Andrej wusste zwar nicht genau, worauf, nickte aber, und Rezzori klopfte fast zaghaft mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, woraufhin die Tür aufging und der hünenhafte Wächter eintrat.
    »Nimm ihm die Fesseln ab«, befahl Rezzori.
    »Signore?«, fragte Ernesto überrascht.
    »Habe ich mich unklar ausgedrückt?« Rezzoris Stimme war kühl.
    »Natürlich nicht, Signore«, sagte Ernesto hastig, »Verzeihung.« Rasch beugte er sich zu Andrej hinab, löste seine Handfesseln und streckte ihm gleichzeitig die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Andrej war so überrascht, dass er ganz automatisch Zugriff und die angebotene Hilfe annahm. Ernesto zog ihn kraftvoll auf die Füße, ließ seine Hand aber auch dann nicht los, sondern drückte im Gegenteil noch fester zu. Andrej sah ihn fragend an.
    Rezzori legte den Kopf auf die Seite und sah plötzlich sehr interessiert aus, schwieg aber, und Ernesto verstärkte seinen Griff noch mehr. Andrejs Knöchel begannen zu knirschen, und zwischen den buschigen Augenbrauen des großen Mannes erschien eine steile Falte.
    Andrej ließ ihn noch zwei oder drei Augenblicke gewähren, bis seine Hand wirklich zu schmerzen begann. Er war überrascht. Dass Ernesto stark war, sah man ihm an, aber nicht, wie stark. Auch bevor der Nubier zum Unsterblichen geworden war, war er der mit Abstand stärkste Mensch gewesen, dem Andrej jemals begegnet war – aber er war nicht sicher, ob selbst Abu Dun es mit diesem Mann hätte aufnehmen können.
    Allerdings gab es da einen gewissen Unterschied, und vielleicht war es an der Zeit, ihn Ernesto zu demonstrieren, bevor der Bursche ihm tatsächlich ein paar Finger brach – allzu lange konnte es nicht mehr dauern.
    »Vielen Dank

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