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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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nennen.« Er machte eine Geste nach vorne. »Wenn Ihr mich fragt, ist es eher ein Tollhaus.«
    Andrej fragte ihn nicht, aber hätte er es getan, dann hätte er ihm zweifellos recht geben müssen. Musik, Gelächter und Gläserklirren wurden lauter, und schließlich traten sie auf eine steinerne Galerie hinaus, unter der sich ein riesiger Ballsaal erstreckte.
    Zu ihren Füßen drängte sich eine kunterbunte, brodelnde Menge. Gleich drei Kapellen spielten fröhliche und viel zu laute Musik (Andrej kam es so vor, als spielte jede ein anderes Stück), zahllose Bedienstete trugen silberne und goldene Tabletts mit Krügen und geschliffenen Gläsern hin und her. Nahezu alle waren kostümiert, manche einfach möglichst schrill und bunt, etliche einfalls- oder auch geschmacklos, andere lediglich mit einer schwarzen oder weißen Halbmaske, die gerade einmal die Augen ihres Trägers bedeckte, der nicht wirklich versuchte, seine Identität zu verbergen, einige wenige aber auch so auffallend und aufwändig, dass Andrej unwillkürlich genauer hinsah – obwohl er für diese Art von Mummenschanz normalerweise nur Verachtung übrig hatte.
    Er fragte sich, warum Rezzori ihn hierhergebracht hatte, wollte sich gerade umwenden und sah vorher noch einmal hin. Dann begriff er. Seine Hände schlossen sich so fest um die marmorne Balustrade, dass seine Knöchel knirschten. Er spürte selbst, dass er ein erschrockenes Zusammenfahren nicht mehr hatte unterdrücken können.
    Unter ihm schob sich eine sehr groß gewachsene, schlanke Gestalt durch die brodelnde Menschenmasse. Sie war nicht annähernd so massig wie Abu Dun, aber nicht sehr viel kleiner. Ebenso wie er war sie ganz in Schwarz gekleidet und trug nicht nur einen schwarzen Turban von beeindruckender Größe, sondern auch ein schwarzes Tuch vor dem Gesicht, das nur einen schmalen Streifen über den Augen frei ließ.
    Doch praktisch in der gleichen Sekunde, in der er die Gestalt sah, erkannte er auch seinen Irrtum.
    Der schmale Streifen Haut war weiß, nicht schwarz. Es war weder Abu Dun noch Meruhe oder eine ihrer beiden Dienerinnen, sondern jemand, der sich große Mühe gab, so auszusehen.
    »Dort hinten ist noch einer.«
    Rezzori war neben ihn getreten, ohne dass er es gemerkt hatte, und deutete nach links. Andrejs Blick folgte seiner Geste und gewahrte eine zweite Meruhe-Kopie und kurz darauf auch noch eine dritte und vierte.
    »Was bedeutet das?«, fragte er.
    »Ein sehr beliebtes Kostüm in diesem Jahr«, antwortete der Signore.
    Als Andrej ihn verständnislos ansah, zeigte der Signori erneut hinunter in die Menge. Er gewahrte weitere Gestalten in der Verkleidung nubischer Kriegerinnen und verstand nun überhaupt nichts mehr.
    »Eure Freundinnen treiben seit einem halben Jahr ihr Unwesen in der Stadt«, fuhr Rezzori fort. »Sie haben nicht nur diesen armen Fischer getötet und den Bruder der Contessa. Die Menschen haben Angst vor ihnen. Viele halten sie für Dämonen oder auch die Strafe Gottes für irgendwelche obskuren Sünden, die sie begangen haben oder hätten begehen können.«
    »Und dann verkleiden sie sich so?«
    »Ja, das fand ich zuerst auch geschmacklos«, antwortete Rezzori, »aber vielleicht ist das einfach ihre Art, mit dem Schrecken fertig zu werden.«
    Vermutlich war es so, doch Andrej dachte daran, wie er und Abu Dun eine Woche lang jeden in dieser Stadt nach den drei Nubierinnen gefragt hatten, ohne auch nur den Hauch einer Antwort zu bekommen. Und nun sah er sie gleich in mehrfacher Ausführung.
    »Kommt.« Rezzori deutete auf eine Tür am Ende der Galerie und ging los, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass Andrej ihm freiwillig folgte. Wahrscheinlich bestand ein Gutteil der Gesellschaft dort unten aus seinen Leuten, überlegte Andrej, die sich kostümiert unter die Feiernden gemischt hatten. Oder es gab da noch etwas anderes, von dem er bisher noch nichts wusste.
    Sie hatten sich der Tür bis auf drei oder vier Schritte genähert, als Rezzori erneut stehen blieb und sich zu ihm umdrehte. »Bevor wir dort hineingehen, Andrej, auf ein Wort. Und ich erwarte, dass Ihr mir die Wahrheit sagt.«
    Andrej? Andrej war aus irgendeinem Grund sehr sicher, dass Rezzori nicht versehentlich zu dieser vertrauteren Anrede gewechselt hatte. Er schwieg einen Moment, in dem er aufmerksam nach einer Spur von Heimtücke oder Falschheit in den Augen seines Gegenübers suchte. Als er nichts davon fand, nickte er.
    »Liebt Ihr die Contessa?«, fragte

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