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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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sitzen und wartete darauf, dass der dumpfe Druck hinter seiner Stirn nachließ. Das geschah nicht, und auch der faulige Geschmack blieb auf seiner Zunge. Der Traum war hartnäckig. Für dieses Mal hatte er seinen Biss verloren, aber etwas von ihm war immer noch da, wie eine schwarze Spinne, die unsichtbar im Zentrum ihres Netzes lauerte und nur auf einen Moment der Unaufmerksamkeit wartete, in dem sie ihn anspringen und ihre Klauen erneut in ihn schlagen konnte.
    Andrej versuchte, über diesen Gedanken zu lachen, aber das machte es eher schlimmer. Schließlich schlug er die Decke zurück, stand auf und zog sich rasch an. Während er die schmale Treppe hinuntereilte, lauschte er auf Geräusche von unten, vernahm aber nichts. Die letzten Gäste mussten schon vor einer geraumen Weile gegangen sein.
    Auch die Gaststube war dunkel. Auf der Theke brannte eine einzelne Kerze, deren winzige Flamme aber gerade einmal für eine doppelt handgroße Pfütze aus Licht reichte, die den übrigen Raum nur noch dunkler erscheinen ließ. Die Tür stand offen, und Andrej meinte, eine vage Bewegung draußen auf der Straße wahrzunehmen. Vielleicht war da auch eine Stimme, aber er war nicht ganz sicher.
    Die Wirtin deutete stumm zur Tür und folgte ihm mit einem Blick, von dem er nicht sagen konnte, ob er wegen der nächtlichen Störung tadelnd oder eher besorgt war. Vorsichtshalber bedeutete ihr Andrej zurückzubleiben und trat durch die Tür. Seine Hand senkte sich auf den Schwertgriff am Gürtel, ohne dass er sich der Bewegung bewusst war. Draußen wartete jedoch nichts Bedrohliches auf ihn, sah man von einer riesenhaften schwarzen Gestalt ab, deren bloßer Anblick so manchen tapferen Mann zu Tode erschreckt hätte. Abu Dun verzog jedoch keine Miene, und auch Andrej runzelte nun leicht beunruhigt die Stirn und fragte: »Was ist los?«
    »Besuch«, antwortete der Nubier in sonderbarem Ton und wies mit dem Kopf nach links. »Wenn ihr das Zimmer braucht, sag es mir einfach. Ich gehe dann in der Zeit ein bisschen spazieren.«
    Abu Duns boshafte Bemerkung wäre gar nicht nötig gewesen. Corinna war ein gutes Dutzend Schritte entfernt, und ihr Gesicht lag auch jetzt wieder im Schatten ihrer Kapuze, die sie weit nach vorn gezogen hatte. Doch er wusste sofort, dass sie es war.
    Es war seltsam: Ein Teil von ihm war zutiefst enttäuscht gewesen, dass Corinna weder an jenem Abend zurückgekommen war, an dem sie sie zu Scalsi und damit auch Marius gebracht hatte, noch am nächsten oder dem darauffolgenden Tag. Nun freute er sich über die Maßen, sie endlich wiederzusehen, doch zugleich … schrak er auch innerlich vor ihr zurück, ohne zu wissen, warum, aber so heftig, dass er etliche Sekunden lang einfach nur dastand und sie anstarrte.
    »Corinna«, sagte er schließlich nur.
    Das Mädchen machte einen einzelnen Schritt in seine Richtung, blieb dann wieder stehen und schlug die Kapuze auf dieselbe anmutige Art zurück, die ihn schon einmal so sehr irritiert hatte. »Immerhin erinnerst du dich noch an meinen Namen«, sagte sie spöttisch. »Obwohl es schon so lange her ist.«
    »Drei Tage.«
    »Ich glaube, jetzt legt Ihr es wirklich darauf an, mich zu verletzen, Signore Delãny«, antwortete sie spöttisch und kam nun endgültig näher. »Die meisten Männer brauchen drei Jahre, um mich zu vergessen – mindestens –, und manchen gelingt es ihr Leben lang nicht.«
    »Vor allem, wenn du einfach verschwindest und dich nicht mehr meldest«, antwortete Andrej. »Wo bist du gewesen? Es gibt da noch ein paar Fragen, weißt du?«
    »Nein«, antwortete Corinna, in ganz leicht schnippischem Ton, der aber auch schon wieder aus ihrer Stimme verschwunden war, als sie weitersprach. »Aber ich nehme an, es geht um deinen Sohn.«
    »Ihr seid tatsächlich mindestens ebenso scharfsinnig wie schön, Signorina«, sagte Abu Dun spöttisch. »Wie habt Ihr das nur so schnell erraten?«
    Andrej holte Luft, um ihn in seine Schranken zu weisen, doch Corinna kam ihm zuvor. »Das habe ich jetzt wohl verdient, schwarzer Mann«, sagte sie. »Aber vielleicht kann ich es ja wiedergutmachen.«
    »Du weißt etwas über Markts?«, fragte Andrej.
    »Nein«, antwortete Corinna. Sie kam noch näher, und Andrej sah etwas unter ihrem Mantel flüchtig aufblitzen, ein kostbares Schmuckstück, das sie bei ihrem ersten Zusammentreffen noch nicht getragen hatte. »Aber vielleicht über eure Freundin.«
    Andrej spürte, wie Abu Dun hinter ihm plötzlich aufmerksam wurde, und auch er fuhr

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