Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Erwachsenen sucht.
Schritte näherten sich. Einer der Männer, die hinter ihnen aufgetaucht waren, trat rasch neben ihn und stieß seinen Degen mit einem Fußtritt davon. Auf der anderen Seite versuchte ein zweiter dasselbe mit Abu Duns gewaltigem Krummsäbel. Andrej konnte ein schadenfrohes Grinsen nicht ganz unterdrücken, als sich der Säbel zwar kaum bewegte, der Bursche aber ein schmerzerfülltes Zischen ausstieß und auf einem Bein davonhüpfte.
»Geh zur Seite!« Der Schatten, zu dem die Stimme gehörte, machte eine herrische Geste, und nun richteten sich beide Gewehrläufe auf Abu Dun. Als der Nubier ihm fast unmerklich zunickte, machte Andrej zwei vorsichtige Schritte zur Seite, wobei er Corinna mit sich zog. Er spürte ihre Verwirrung und ihre Angst und konnte hören, wie schnell ihr Herz schlug. Sie war ebenso überrascht wie er. Eine Falle, sicherlich, aber sie hatte nichts davon gewusst.
»Bist du Enrico?«, wandte er sich an den Redeführer. »Wir müssen mit dir sprechen.«
Er bekam keine Antwort, aber der Mann trat abermals näher, sodass Andrej jetzt sein Gesicht erkennen konnte. Er hatte kurz geschnittenes dunkles Haar. Er war älter, als Andrej erwartet hatte, und seine Kleidung war ebenso wie die Baleans gepflegt, aber ärmlich. Trotz des großen Altersunterschiedes war die Familienähnlichkeit zwischen ihnen nicht zu übersehen. Sein Blick huschte kurz über Andrejs Gesicht und heftete sich dann – verändert – auf Abu Dun.
»Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor«, begann Andrej und sprach dann nicht weiter, als er begriff, dass Enrico ihm gar nicht zuhörte. Er konzentrierte sich ganz auf Abu Dun, und auch die anderen Gestalten rückten nun näher, um den Nubier einzukreisen. Mit Ausnahme eines einzelnen Mannes, der noch immer mit einer Muskete in seine ungefähre Richtung zielte, aber ebenfalls Abu Dun ansah, schien niemand mehr von Corinna und ihm Notiz zu nehmen.
Andrej zog überrascht die Brauen zusammen, als er das Gesicht desjenigen erkannte, der Corinna geohrfeigt hatte. Es war kein Mann, wie er angenommen hatte, sondern eine Frau, vielleicht etwas jünger als Enrico, aber mit derselben unübersehbaren Familienähnlichkeit, und anders als in Enricos Augen stand in ihren blanker Hass geschrieben. Dann erschien ein weiterer, etwas kleinerer Umriss neben ihr, und er erkannte Balean. So viel dazu, dass der Junge sie hergebracht hatte, ohne dass seine Familie etwas davon erfahren durfte.
»Ist er das, Gina?«, fragte Enrico, indem er auf Abu Dun deutete. Er hielt etwas in der Hand, das Andrej bisher für einen Speer oder eine altertümliche Hellebarde gehalten hatte. Jetzt sah er, dass es sich um eine Art Mistgabel mit nur zwei auf sonderbare Weise gebogenen, aber äußerst spitzen Zinken handelte.
»Er gehört zu ihnen, da bin ich ganz sicher!«, antwortete die Frau aufgebracht. »Bringt ihn um! Tötet ihn! Er gehört zu diesem Mörderpack!«
Und als wolle sie sich auf den Nubier stürzen, hob sie die Arme, doch Enrico hielt sie mit einer raschen Bewegung zurück.
»Ist das wahr?«, fragte er, an Abu Dun gewandt. »Gehörst du zu denen, die meinen Schwager getötet haben?«
»Ich habe niemanden getötet«, antwortete Abu Dun gelassen. »Zumindest keine Schwäger, und schon gar nicht in dieser Stadt.«
Enrico machte einen weiteren Schritt in seine Richtung und zielte mit den Spitzen seiner hölzernen Forke nun genau auf Abu Duns Gesicht. Auch die anderen Gestalten rückten dichter heran und bauten sich mit finsteren Mienen rings um den nubischen Riesen auf, um ihn mit ihren diversen – zumeist improvisierten – Waffen in Schach zu halten. Gewalt lag nun wie etwas Greifbares in der Luft.
»Antworte, Kerl!«, sagte Enrico barsch. »Und rühr dich nicht! Oder doch, gib mir einen Grund, dich abzustechen!«
»Tu es!«, verlangte Gina. »Das ist einer von ihnen! Bringt ihn um!«
Einer der anderen Männer versuchte, sie zurückzuhalten, doch in ihren Händen blitzte plötzlich eine schartige Klinge auf, und er handelte sich nur eine hässliche Schramme auf dem Handrücken ein, die sofort zu bluten begann. Andrej spannte sich, als er sah, wie Abu Dun sich nun der Frau zuwandte und in seinen Augen ein Ausdruck erschien, den Andrej nur zu gut kannte. Die Männer verstanden die Bewegung falsch, wie er vermutet hatte. Abu Dun behielt jedoch zu seiner Erleichterung (und sachter Überraschung) die Nerven und versuchte nicht einmal, sich zur Wehr zu setzen, als er von gleich
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