Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Augen anstarrte und nervös nickte.
»Er hat gesagt, dass sie zusammengehören«, bestätigte er. »Er hat nach den schwarzen Frauen gefragt und gesagt, sie wären seine Freunde.«
»Und du hast uns belogen, Bürschchen«, grollte Abu Dun. »Gib uns unser Geld zurück!«
Eine lächerliche Forderung für einen Mann in seiner Situation. Enrico blinzelte auch nur verständnislos, aber Balean griff tatsächlich unter seine Jacke, zog den Geldbeutel hervor und warf ihn dem Nubier so wuchtig vor die Füße, dass er aufplatzte und sein Inhalt klimpernd in alle Richtungen davon rollte.
»Ist das wahr?«, fragte Enrico an Andrej gewandt. »Ihr kennt diese Frauen?«
»Es spielt doch gar keine Rolle, ob er sie kennt oder nicht!« Gina schluchzte jetzt. »Seht ihn euch doch nur an! Er sieht genauso aus wie sie! Er gehört zu ihnen!«
»Ich weiß nicht, was hier geschehen ist«, sagte Andrej ruhig. Abu Dun hatte den Blick immer noch fest auf den blutigen Schnitt geheftet. »Aber ich bin sicher, dass es eine Erklärung gibt. Erzählt mir, was geschehen ist.«
»Hört nicht auf ihn!«, schluchzte Gina. »Ihr müsst euch den schwarzen Teufel doch nur ansehen!«
Statt den »schwarzen Teufel« anzuschauen, senkte Enrico seine Forke endgültig und sah jetzt beinahe verlegen aus. »Sie … waren nicht dabei?«, wandte er sich erneut an Balean.
Der Junge schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Aber er hat gesagt, dass sie Freunde sind.«
»Da hört ihr es!«, begehrte Gina auf. »Er gibt es sogar zu!« Und mit einer trotz allem überraschenden Bewegung riss sie sich los, stürzte sich auf den Nubier und begann, mit den Fäusten auf seine Brust einzutrommeln. Andrej hielt nicht nur in Erwartung dessen, was kam, die Luft an, sondern spannte sich auch. Abu Dun überraschte ihn jedoch abermals, indem er sich nicht einmal zu verteidigen versuchte, sondern nur stoisch auf die Frau hinabsah. Erst als sie auch noch auf sein Gesicht einschlug, hob er die Hand und umschloss fast sanft ihre beiden Gelenke mit einer seiner gewaltigen Pranken. Es war Balean, der die Katastrophe auslöste, denn er kreischte: »Fass meine Mutter nicht an!«
Der Junge stürzte sich auf den nubischen Riesen, urplötzlich ein winziges Messerchen mit einer schartigen Klinge in der Hand haltend, das er Abu Dun ohne das mindeste Zögern in den Oberschenkel rammte. Der Nubier knurrte vor Zorn wie ein gereizter Hund, ließ Ginas Arme los und versetzte dem Knaben einen Stoß mit der flachen Hand, der diesen meterweit zurückstolpern und dann schwer auf dem harten Kopfsteinpflaster aufschlagen ließ. Dann geschah alles gleichzeitig – und schlimmer, als Andrej es erwartet hatte.
Andrej sah, wie sich gleich vier Angreifer auf Abu Dun stürzten und auch Enrico seine Forke wieder hochriss und herumwirbelte, registrierte gleichzeitig eine Bewegung aus den Augenwinkeln und stieß Corinna aus dem Weg. Er duckte sich unter dem Gewehrkolben weg, der nach seinem Kopf gestoßen wurde, und aus der gleichen Bewegung heraus, in der er herumwirbelte und dem Burschen die Faust in den Leib rammte, trat er nach hinten aus und zertrümmerte Enricos Forke, bevor er sie Abu Dun in den Leib rammen konnte. Er hörte, wie Abu Dun vor Wut brüllte, doch da ging er auch schon unter dem Ansturm von gleich zwei Männern zu Boden und wurde von mehreren so harten Faustschlägen getroffen, dass Andrej sich mit aller Macht zurückhalten musste, um nicht seinerseits mit seiner ganzen gewaltigen Kraft zuzuschlagen und womöglich einen von ihnen zu verkrüppeln oder gar zu töten. Wahrscheinlich würde es sich dieses Mal nicht vermeiden lassen, dachte er erschrocken, denn die Übermacht war einfach zu groß … aber er wollte wenigstens nicht der Erste sein, an dessen Händen Blut klebte.
So verschaffte er sich lediglich mit zwei, drei kraftvollen Bewegungen Luft, stieß einen besonders hartnäckigen Gegner wuchtig genug von sich herunter, dass dieser mit wild rudernden Armen drei Schritte zurücktaumelte und dann mit einem gewaltigen Platschen im eiskalten Wasser der Lagune verschwand, und sprang auf die Füße.
Um ein Haar hätte er erleichtert aufgeatmet, denn der Kampf war praktisch schon vorbei, noch bevor er richtig begonnen hatte, und es sah sogar so aus, als wäre es ohne Tote abgegangen. Abu Dun stand schon wieder, und die meisten Angreifer – Enrico eingeschlossen – befanden sich auf einem mehr oder weniger chaotischen Rückzug und rannten oder humpelten davon, so schnell sie nur
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