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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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bückte sich dann, um einen wimmernden Mann am Arm in die Höhe zu ziehen. Andrej erkannte sein Gesicht wieder, hielt instinktiv den Atem an und machte sich innerlich bereit, nötigenfalls einzugreifen, doch der Nubier beließ es dabei, sein wehrloses Opfer so hart gegen die Wand zu schubsen, dass es in gekrümmter Haltung stehen blieb.
    »Es tut mir leid, wenn ich gegen Eure Sitten verstoßen haben sollte, Signore«, sagte er böse. »Ich bin fremd hier, müsst Ihr wissen, und ich habe mich nur anzupassen versucht.«
    »Abu Dun, bitte!«, sagte Andrej.
    Der schwarze Riese ignorierte ihn, bückte sich abermals und hob eine Muskete auf. Der Geruch von verbranntem Schießpulver stieg Andrej in die Nase. »Das gehört Euch, glaube ich.«
    Und damit brach er das altertümliche Gewehr ohne sichtbare Anstrengung entzwei. »Oh, nun habe ich es kaputt gemacht«, sagte Abu Dun mit geheucheltem Bedauern. »Das wollte ich nicht.«
    »Jetzt hör verdammt noch mal endlich auf!«, sagte Andrej scharf. »Was soll das? Was haben diese Leute dir getan?«
    Abu Dun wedelte mit der Hälfte der zerbrochenen Muskete herum. Die andere warf er mit solcher Kraft eine Handbreit neben dem Gesicht des Mannes an die Wand, dass Putz und Steinsplitter flogen. »Auf mich geschossen?«, antwortete er in fragend naivem Tonfall.
    »Ja, und anscheinend hat er nicht gut genug gezielt!«, fauchte Andrej. Er riss Abu Dun den verbogenen Lauf aus der Hand, warf ihn zu Boden und postierte sich wie zufällig so, dass er zwischen ihm und dem verletzten Mann stand – vielleicht ein Fehler, denn der nubische Riese machte nun seinerseits einen halben Schritt und ragte drohend über ihm auf. Und etwas ganz und gar Unglaubliches geschah: Er kannte Abu Dun seit Jahrhunderten und vermochte auch dann in seinem Gesicht zu lesen, wenn sich scheinbar nichts regte, und jetzt sah er, dass Abu Dun für den Bruchteil eines Atemzuges bereit war, sich auf ihn zu stürzen. Ganz einfach, weil da plötzlich etwas in ihm erwachte, das töten wollte, egal wen.
    »Abu Dun«, murmelte er auf Arabisch. »Pirat! Komm zu dir.«
    »Geh aus dem Weg«, grollte der Nubier. »Geh zur Seite, oder –«
    »Oder was?« Andrejs Hand senkte sich auf den Schwertgriff.
    »Hört auf, Signori, ich bitte euch!« Enrico stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Höhe, schlug die Hand gegen die linke Schulter und sog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein, bevor er mit zitternder Stimme fortfuhr: »Ich bitte Euch, hört auf, Andrej. Euer Freund hat recht. Es war … unsere Schuld.«
    Abu Duns Augen wurden schmal. Er sagte nichts, doch Andrej konnte fast körperlich spüren, wie sich sein Zorn auf ein neues Ziel fokussierte. Seine Hand schloss sich fester um den Griff des Degens, obwohl er wusste, wie wenig diese Waffe gegen den sieben Fuß großen Koloss ausrichten würde.
    »Abu Dun! Was geschieht mit uns?«, fragte er leise.
    Zwei, drei schier endlose Atemzüge lang starrte Abu Dun Enrico aus brennenden Augen an, und Andrej konnte ihm ansehen, wie sich etwas änderte und er mit einem Male vor sich selbst erschrak. Dann fuhr er ohne ein Wort herum und stürmte aus dem Haus. Die Reste der Tür, die ihm im Weg waren, zertrümmerte er mit einem beiläufigen Fausthieb.
    »Was ist hier passiert?«, wandte Andrej sich an Enrico. »Er hat euch angegriffen? Warum?«
    »Ja«, antwortete der Fischer, biss sich auf die Unterlippe und schüttelte ungelenk den Kopf. »Ich weiß nicht, was er wollte. Er hat den Hund erschlagen und die Tür eingetreten, und Marco hat die Nerven verloren und auf ihn geschossen. Es ging alles ganz schnell.«
    Andrej sah kurz zu Marco hin, der mittlerweile an der Wand zu Boden gesackt war und aus großen Augen das Gewehr anstarrte, das Abu Dun so mühelos in Stücke gebrochen hatte. Er fragte sich, wieso ein angeblich harmloser Fischer eine schussbereite Muskete im Haus hatte. Wäre er nur eine halbe Minute später gekommen …
    »Warum sprichst du mit diesem Teufel?«, fragte Gina. »Er hat deinen Bruder umgebracht!«
    Andrej war ebenso überrascht wie erschrocken, als er ihre Stimme hörte, denn es war nicht einmal eine Spur von Furcht darin, sondern nur blanker Hass. »Sie sind Teufel, beide! Die Hölle selbst hat sie geschickt! Er ist tot! Er muss tot sein! Du hast ihn doch selbst erschossen!«
    »Abu Dun hat Glück gehabt«, sagte Andrej rasch und mit eindringlicher Stimme an Enrico gewandt, »großes Glück. Da war eine Luftblase unter dem Pier, in der er atmen

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