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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dann nahm er ein kleines Kind aus seinem Bettchen, wickelte es in eine Wolldecke und eilte wieder auf die Straße.
    Nicht lange danach machte er vor dem mit Wein bewachsenen Eisenzaun eines verwilderten Gartens halt. Hinter Bäumen stand ein altes Haus; es war verfallen, der Putz blätterte ab, und die Balkongitter waren verrostet. Es schien dem Untergang geweiht zu sein, ein Haus, das zwischen zahllosen kleinen Holzhäusern hier gestrandet war; seine großen Fenster blickten auf das, was ein trostloses Durcheinander von Dächern gewesen sein mußte; doch der große, dunkle Garten bot einen gewissen Schutz vor alledem. Ich bemerkte durch die dicken Zweige ein schwaches Licht in einem der Fenster; und als der Vampir durch die Pforte ging und in das Haus trat, blieb ich vor dem Fenster stehen. Ich konnte das Baby weinen hören, und dann war es still. Mit Leichtigkeit erklomm ich den alten Zaun, sprang hinunter in den Garten und schlich mich leise an den langen Vorbau heran.
    Es war ein bestürzender Anblick, der sich mir bot. Trotz des warmen Abends waren die Fenster fest geschlossen, im Kamin brannte ein Feuer, und der junge Vampir setzte sich davor und sprach zu einem anderen Vampir, der daneben hockte, die Füße in Hausschuhen auf das Gitter gelegt, die zitternden Finger an den Aufschlägen eines schäbigen blauen Bademantels. Eine Öllampe als einziges Licht stand auf einem Tisch, wohin der Vampir das wimmernde Kind gelegt hatte.
    Mit aufgerissenen Augen betrachtete ich die gebückte und schlotternde Gestalt, der blonde Haarsträhnen über das Gesicht fielen. Ich versuchte, den Staub auf der Fensterscheibe wegzuwischen, um mich dessen zu vergewissern, was ich vermutete. ›Ihr laßt mich alle im Stich‹, sagte der Mann jetzt mit einer dünnen, klagenden Stimme. ›Du kannst uns nicht halten‹, sagte der Jüngere unfreundlich. Er saß da, die Arme auf der Brust gefaltet, und blickte sich geringschätzig im Zimmer um. ›Psch, psch!‹ rief er dem Baby zu, das zu schreien angefangen hatte. ›Sei ruhig!‹
    ›Gib mir etwas Holze, sagte der blonde Vampir, und als er die Hand danach ausstreckte, erkannte ich deutlich, unmißverständlich, Lestats Profil. Die alten Narben waren verschwunden und hatten keine Spuren hinterlassen.
    ›Wenn du nur ausgehen würdest‹, sagte der andere verärgert und warf einen Scheit ins Feuer. ›Und auf die Jagd gehen nach etwas Besserem als diesen elenden Tieren…‹ Und wieder blickte er sich angeekelt um. Ich sah in der Zimmerecke die Kadaver einiger Katzen liegen; ein bemerkenswerter Umstand, denn ein Vampir kann die Nähe seiner toten Opfer nicht ertragen, so wie ein Raubtier den Platz zu meiden pflegt, wo es seinen Unrat gelassen hat. ›Weißt du nicht, daß es Sommer ist?‹ fragte der Jüngere. Lestat antwortete nicht, sondern rieb sich nur die Hände. ›Nimm es‹, sagte der andere, ›dann wird dir warm werden.‹
    ›Du hättest mir etwas anderes bringen können‹, sagte Lestat bitter. Und als er das Baby ansah, blinzelte er in das Licht der trüben Lampe. Ich erschrak, als ich die Augen wiedererkannte und die Gesichtszüge unter den gelben Haaren, und unwillkürlich klopfte ich an die Scheibe. Der junge Vampir blickte beunruhigt auf; doch ich winkte ihm nur, den Fensterriegel zurückzuschieben. Und Lestat zog seinen Bademantel am Hals zusammen und stand auf.
    ›Es ist Louis! Louis!‹ rief er. ›Laß ihn herein.‹ Und er gestikulierte heftig wie ein Invalide, der seinem Pfleger Anweisungen gibt.
    Ich stieg durch das geöffnete Fenster und atmete den Gestank und die schwelende Hitze des Zimmers. Der Fliegenschwarm auf den faulenden Kadavern ekelte mich an, so daß ich wider Willen zurückwich, trotz Lestats inständiger Bitte näher zu treten. In einer Ecke stand der Sarg, in dem er schlief, mit abblätterndem Lack und mit Stößen vergilbter Zeitungen halb bedeckt; und in den anderen Ecken lagen abgenagte Knochen. Aber Lestat hielt nun meine Hand mit seinen trockenen Händen umschlossen und zog mich zum Kamin; ich sah, daß ihm Tränen in die Augen stiegen, und als er den Mund in einer Mischung aus Verzweiflung und schmerzlicher Beglückung verzog, erkannte ich nun doch schwache Spuren der alten Narben. Wie peinlich war es, diesen glattgesichtigen, unsterblichen Mann wie ein altes Weib schlottern und wimmern zu sehen.
    ›Ja, Lestat‹, sagte ich, ›ich bin dich besuchen gekommen.‹ Ich schob seine Hand sanft von mir und ging zum Tisch, auf dem das Baby lag und

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