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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Antwort aus. Ich kann mir verschiedene denken. Gib dir die Antwort, die du brauchst, und glaube sie. Sie ist ebenso wahrscheinlich wie jede andere. Ich werde dir einen rationalen Grund geben für das, was ich tat, und es ist der am wenigsten wahre: Ich habe Paris verlassen. Das Theater gehörte mir, und so habe ich die Leute fortgeschickt‹.
    ›Aber mit dem, was du wußtest…‹, sagte ich.
    ›Ich sagte dir, es ist der rationale Grund und der am wenigsten wahre‹, erwiderte er geduldig.
    ›Würdest du mich so leichten Herzens vernichten, wie du duldetest, daß jene vernichtet wurden?‹ fragte ich weiter. ›Warum sollte ich?‹ gab er zurück. ›Mein Gott!‹ flüsterte ich. ›Du hast dich sehr veränderte sagte er. ›Doch in gewisser Beziehung bist du noch der gleiche.‹
    Wir gingen schweigend weiter, und dann standen wir vor der Säulenfassade des Museums. Die vielen Fenster waren verdunkelt und schimmerten silbrig im Regen und Mondschein. Aber dann bewegte sich drinnen ein schwaches Licht, vermutlich ein Wächter, der durch die Säle wanderte. Ich beneidete ihn und überlegte, wie ein Vampir zu ihm gelangen könnte, ihn überwältigen und die Laterne und die Schlüssel entreißen. Doch meine Gedanken verwirrten sich; ich konnte keine Pläne mehr machen. Einen einzigen richtigen Plan hatte ich in meinem Leben gemacht und ausgeführt, und jetzt war ich fertig.
    Und dann gab ich endlich nach. Ich wandte mich wieder zu Armand um und duldete, daß er mich an sich zog; neigte den Kopf und fühlte seinen festen Arm um meine Schulter. Mir fielen Claudias Worte ein, beinahe ihre letzten - daß sie wußte, ich könne Armand lieben, weil ich fähig gewesen war, sie zu lieben -, und diese Worte, so ironisch sie gemeint sein mochten, hatten nun mehr Bedeutung für mich, als sie geahnt haben konnte.
    ›Ja‹, sagte ich leise, ›das ist die Krönung des Bösen, daß wir sogar so weit gehen, einander zu lieben, du und ich. Wer sonst würde uns ein Fünkchen Liebe zeigen, eine Spur von Mitleid oder Gnade? Wer sonst, wüßte er von uns, so wie wir einander kennen, könnte etwas anderes tun, als uns vernichten? Doch wir können uns lieben.‹
    Eine ganze Weile sah er mich nur an, den Kopf leicht auf die Seite gelegt, und seine Lippen öffneten sich, als wollte er etwas sagen. Doch er lächelte nur und schüttelte fast unmerklich den Kopf zum Zeichen, daß er mich nicht verstand.
    Aber ich dachte nicht mehr an ihn; ich hatte einen jener seltenen Augenblicke, da ich an nichts zu denken schien. Dann sah ich, daß der Regen aufgehört hatte, daß die Luft klar und kühl war und die Straßen glänzten. Und ich wollte in den Louvre gehen und sagte es Armand und fragte ihn, ob er mir behilflich sein wolle einzudringen; und er sagte, nichts leichter als das, und warum ich so lange damit gewartet hätte.«

 
     
    B ald darauf verließen wir Paris. Ich sagte Armand, daß ich gern wieder zum Mittelmeer reisen würde - nach Ägypten. Ich wollte die Wüste sehen, die Pyramiden, die Grabstätten der Pharaonen; ich wollte Verbindung aufnehmen mit den Grabräubern, die mehr über die Pyramidenkammern wußten als die Gelehrten; und ich wollte selber in noch ungeöffnete Gräber steigen und sehen, wie die Könige bestattet worden waren, die Schätze und Kunstwerke, die man ihnen beigegeben hatte, die Malereien an den Wänden. Armand war mehr als einverstanden. Und so nahmen wir ohne weitere Umstände an einem frühen Abend von Paris Abschied.
    Etwas muß ich noch erwähnen. Ich suchte vorher unsere Zimmer im Hotel auf, um einige von Claudia und Madeleine zurückgelassene Sachen an mich zu nehmen, sie in Särge zu legen und auf dem Friedhof von Montmartre zu begraben. Aber ich unterließ es. Ich blieb nur kurz in den Zimmern, die von dem Personal in peinlicher Ordnung gehalten worden waren, so daß es aussah, als ob Claudia und Madeleine jederzeit zurückkehren könnten. Madeleines Stickrahmen lag mit den Garnbündeln auf einem Tischchen. Ich sah dies und noch jenes an, doch mein Vorhaben schien mir bedeutungslos geworden. Und so ging ich wieder.
    Aber zu einer Erkenntnis kam ich dort, oder, besser gesagt, etwas, das ich längst gefühlt hatte, wurde mir bewußt. Ich war im Louvre gewesen, um meine Seele offenzulegen, um ein übersinnliches Vergnügen zu finden, das meine Qual auslöschen und mich meiner vergessen lassen würde, und ich hatte es gefunden. Doch nun, als ich vor dem Hotel stand und auf die Droschke wartete, die mich zu

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