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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sagte der Junge schnell. Er faltete sein Taschentuch mehrmals zusammen und wischte sich wieder über die Lippen.
    »Es hat eine Tragödie gegeben … «, begann der Vampir. »Mit meinem jüngeren Bruder… Er starb.« Dann schwieg er.
    Der Junge räusperte sich und wischte sich erneut das Gesicht, ehe er das Taschentuch fast ungeduldig wieder zurücksteckte. »Es ist doch nicht schmerzhaft für Sie, nein?« fragte er schüchtern.
    »Scheint es dir so? Nein.« Der Vampir schüttelte den Kopf. »Es ist nur, daß ich die Geschichte erst ein einziges Mal erzählt habe. Und das ist so lange her… Nein, es tut nicht weh…. Damals lebten wir in Louisiana. Wir hatten Land zugeteilt bekommen und richteten zwei Indigoplantagen am Mississippi ein, ganz in der Nähe von New Orleans…«
    »Ach ja. Ihr Akzent«, sagte der Junge leise.
    Einen Augenblick schaute der Vampir verständnislos drein. »Ich habe einen Akzent?« Er mußte lachen.
    Der Junge wurde rot und sagte schnell: »Ich habe es in der Bar gemerkt, als ich Sie fragte, was Sie für einen Beruf haben. Es ist nur eine leichte Schärfe bei den Konsonanten. Ich habe nicht gewußt, daß es vom Französischen kommt.«
    »Schon gut«, sagte der Vampir beruhigend. »Ich bin nicht so gekränkt, wie ich vorgebe. Es ist nur, daß ich ihn von Zeit zu Zeit vergesse. Aber laß mich weitererzählen.«
    »Bitte«, sagte der Junge.
    »Ich sprach von den Plantagen. Sie haben viel damit zu tun, ich meine, daß ich ein Vampir geworden bin, du kannst es mir glauben. Aber darauf komme ich noch. Unser Leben in Louisiana war luxuriös und primitiv zugleich. Wir selber fanden es außerordentlich angenehm. Wir lebten dort weit besser, als wir je in Frankreich hätten leben können. Vielleicht kam es uns in der völligen Wildnis von Louisiana auch nur so vor, aber so war es nun einmal. Ich erinnere mich an die Möbel, die wir aus Frankreich mitgebracht hatten.« Der Vampir lächelte. »Und an das Cembalo; das war wunderbar. Meine Schwester spielte es. An Sommerabenden saß sie mit dem Rücken zur geöffneten Gartentür und spielte. Ich höre noch die dünnen, schnellen Töne, und ich sehe weit hinten die Sümpfe und die moosbewachsenen Zypressen vor dem Himmel. Und ich höre auch die Geräusche der Sümpfe, einen Chor von Tierstimmen, den Gesang der Vögel. Wir haben ihn geliebt, denn er machte die Musik noch zarter und begehrenswerter, die Möbel aus Rosenholz noch kostbarer.
    Sogar als die Glyzinien in weniger als einem Jahr die Fensterläden überwucherten und ihre Ranken in die weiß getünchten Ziegel gruben… Ja, wir liebten das, wir alle, außer meinem Bruder. Ich glaube nicht, daß ich ihn jemals klagen hörte, doch ich wußte, was er empfand. Mein Vater war schon tot, und ich war das Haupt der Familie und mußte meinen Bruder stets vor Mutter und Schwester in Schutz nehmen. Sie wollten ihn immer nach New Orleans mitnehmen, auf Besuche und Gesellschaften, doch er haßte dergleichen. Ich glaube, er hat sie nicht mehr begleitet, seit er zwölf wurde. Das Gebet war ihm alles, das Gebet und seine in Leder gebundenen Heiligengeschichten.
    Schließlich richtete ich ihm eine kleine Kapelle außerhalb des Hauses ein, und dort verbrachte er nun den größten Teil des Tages und oft auch noch den frühen Abend. Es war wirklich Ironie - er war so anders als wir, so verschieden von jedermann, und ich war so normal! Ich hatte überhaupt nichts Ungewöhnliches an mir.« Der Vampir lächelte.
    »Manchmal ging ich abends zu ihm und fand ihn im Garten neben der Kapelle, ruhig und gelassen auf einer Steinbank, und ich erzählte ihm von meinen Sorgen, den Schwierigkeiten, die ich mit den Sklaven hatte, und wie ich den Aufsehern mißtraute oder dem Wetter oder meinen Agenten… alle die Kümmernisse, die mein Dasein erfüllten. Und er hörte mir zu und machte nur hier und da eine Bemerkung, immer voller Verständnis, so daß ich, wenn ich ihn verließ, das bestimmte Gefühl hatte, er habe alle Probleme für mich gelöst. Ich hätte ihm nichts abschlagen können, und ich schwor mir, ihn Priester werden zu lassen, sobald die Zeit gekommen sei, einerlei, ob mein Herz brechen würde, wenn ich ihn verlöre. Natürlich hatte ich mich geirrt.« Der Vampir hielt inne.
    Einen Augenblick lang starrte ihn der Junge nur wie in Gedanken versunken an, dann begann er stockend, so als könne er die richtigen Worte nicht finden. »Ah, er wollte gar nicht Priester werden ?« fragte der Junge.
    Der Vampir musterte ihn, als

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