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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bruder gestorben war, flößte der Tod mir Schrecken ein. Nun mußte ich mit anschauen, wie der Aufseher beim Erwachen zusammenfuhr, Lestat mit beiden Händen abzuwehren suchte und dann unter seinem Zugriff verzweifelt kämpfte und schließlich erschlaffte, entleert, blutlos. Und starb. Er starb nicht auf einmal. Wir standen eine gute Stunde in dem engen Schlafzimmer und sahen ihn sterben. Es gehörte zu meiner Verwandlung, wie ich sagte; sonst wäre Lestat nicht geblieben. Dann mußten wir uns des Toten entledigen, und das drehte mir fast den Magen um. Ich war schon schwach und fiebrig und am Ende meiner Kräfte. Der Umgang mit der Leiche verursachte mir Übelkeit. Lestat lachte und sagte gefühllos, wenn ich erst ein Vampir wäre, würde ich auch darüber lachen. Aber darin täuschte er sich. Ich lache nie im Angesicht des Todes, sooft auch ich selber die Ursache bin.
    Doch alles der Reihe nach. Wir mußten über die Straße am Fluß fahren, bis wir auf das offene Feld gelangten, wo wir den toten Aufseher hinlegten. Wir nahmen ihm sein Geld ab, zerrissen ihm die Kleider und benetzten seine Lippen mit Branntwein. Ich kannte seine Frau, die in New Orleans wohnte, und wußte, wie verzweifelt sie sein würde, wenn man die Leiche entdeckte. Noch mehr als die Sorge um ihr Schicksal schmerzte mich, daß sie nie erfahren würde, was geschehen, daß ihr Mann nicht betrunken auf der Straße ausgeraubt worden war. Als wir den Körper schlugen und das Gesicht und die Schultern übel zurichteten, wurde ich mehr und mehr erregt. Während dies alles sich abspielte, kam mir der Vampir Lestat wie ein überirdisches Wesen vor, wie ein biblischer Engel. Doch meine Verzauberung wurde auf die Probe gestellt. Ich hatte meine Verwandlung in einen Vampir unter zwei Aspekten gesehen. Der erste war Verzauberung; Lestat hatte mich auf dem Sterbebett überwältigt. Doch der andere war mein Wunsch nach Selbstvernichtung, mein Verlangen nach totaler Verdammung. Das war die offene Tür gewesen, durch die Lestat beim ersten wie beim zweiten Mal eingetreten war. Doch jetzt zerstörte ich nicht mich selber, sondern einen anderen. Den Aufseher, und dazu seine Frau, seine Familie. Ich schrak zurück und hätte Lestat entfliehen mögen, wenn er nicht mit untrüglichem Instinkt gefühlt hätte, was in mir vorging. Mit untrüglichem Instinkt…«
    Der Vampir grübelte. »Sagen wir, mit dem übermächtigen Instinkt eines Vampirs, dem nicht die geringste Veränderung im Gesichtsausdruck eines Menschen verborgen bleibt. Lestat hatte ein übernatürliches Zeitgefühl. Er drängte mich in den Wagen und trieb die Pferde nach Hause. ›Ich will sterben, murmelte ich. ›Dies ist unerträglich. Ich will sterben. Es liegt in deiner Macht, mich zu töten. Laß mich sterben.‹ Ich vermied, ihn anzublicken, um nicht von seiner äußeren Schönheit in Bann geschlagen zu werden. Er nannte mich sanft beim Namen und lachte. Er wollte unbedingt die Plantage haben.«
    »Aber hätte er Sie jemals gehen lassen?« fragte der Junge. »Unter allen Umständen?«
    »Ich weiß es nicht. So wie ich Lestat jetzt kenne, würde ich sagen, er hätte mich eher umgebracht als mich gehen lassen. Aber das wollte ich ja gerade, verstehst du. Es spielte keine Rolle. Nein, das war, was ich dachte, daß ich wollte… Als wir das Haus erreichten, stieg ich aus und schritt willenlos zu der Steintreppe, über die mein Bruder gestürzt war. Das Haus war seit Monaten unbewohnt, da der Aufseher seine eigene Hütte gehabt hatte, und die Feuchtigkeit und Hitze Louisianas hatten schon ihr Werk getan. In jeder Spalte sproß Gras und Unkraut. Ich erinnere mich der feuchten Luft, die sich in der Nacht abgekühlt hatte, als ich auf den unteren Stufen saß, meinen Kopf auf die Steine legte und die Wildblumen berührte und ein paar von ihnen pflückte. ›Ich möchte sterben; töte mich!‹ sagte ich zu dem Vampir. Jetzt bin ich ein Mörder. Ich kann nicht weiterleben.‹ Er lächelte höhnisch und ungeduldig, wie jemand lächelt, wenn der andere offensichtlich lügt. Und dann warf er sich plötzlich auf mich, wie er sich auf meinen Aufseher geworfen hatte. Ich setzte mich wie im Fieber zur Wehr, schlug um mich und trat ihm vor die Brust; doch er grub die Zähne in meine Kehle. Dann ließ er mich mit einer unglaublich schnellen Bewegung los und stand vor mir am Fuße der Treppe. ›Ich dachte, du wolltest sterben, Louis‹, sagte er verächtlich.«
    Der Junge blickte überrascht auf, als der Vampir seinen

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