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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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einmal…«
    »Lestat, du hast viele Jahre Zeit, diese ganzen alten Erzählungen selbst zu lesen.«
    Sie erhob sich und bückte sich, um mich zu küssen, und wie immer kurz vor der Morgendämmerung waren ihre Bewegungen bleiern geworden. »Was mich betrifft, so habe ich mit Büchern nichts mehr im Sinn. Ich habe sie nur gelesen, solange ich sonst nichts zu tun hatte.« Sie nahm meine Hände. »Sage mir, daß wir morgen unterwegs sein werden, daß wir die Stadtmauern von Paris erst wiedersehen werden, wenn wir die andere Seite der Welt gesehen haben.«
    »Ganz wie du willst«, antwortete ich.
    Sie stieg die Treppe hoch.
    »Aber wo gehst du denn hin?« fragte ich und folgte ihr. Sie öffnete das Gatter und machte sich auf den Weg zu den Bäumen.
    »Ich möchte herausfinden, ob ich in der blanken Erde schlafen kann«, sagte sie über ihre Schulter. »Wenn ich morgen nicht aufstehe, weißt du, daß es nicht geklappt hat.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn«, sagte ich und folgte ihr. Mir gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht. Sie begab sich in ein Dickicht alter Eichen, kniete sich nieder und grub mit bloßen Händen im Laub und in der feuchten Erde. Sie sah gespenstisch aus, wie eine hübsche, blonde Hexe, die mit affenartiger Geschwindigkeit loswühlte. Dann erhob sie sich und gab mir einen Handkuß. Und schon war sie im Erdreich verschwunden. Und ich starrte ungläubig auf die Stelle, wo sie gerade noch gewesen war, und auf das Laub, das sich wieder ausgebreitet hatte, als sei nichts geschehen.
    Ich entfernte mich in südlicher Richtung vom Wald und vom Turm. Und als sich meine Schritte beschleunigten, sang ich mir eine artige Kavatine, möglicherweise eine Melodie, die die Geigen an diesem Abend im Palais Royal intoniert gehabt hatten.
    Und wieder suchte mich ein Gefühl der Trauer heim, die Gewißheit, daß wir wirklich fortgehen würden, daß es aus war mit Nicolas und den Kindern der Finsternis und ihrem Meister und daß ich für viele, viele Jahre weder Paris noch sonst irgend etwas wiedersehen würde, das mir vertraut war. Und trotz meines Freiheitsdrangs hätte ich am liebsten geheult.
    Aber offenbar verfolgte ich mit meiner Nachtwanderung einen Zweck, den ich mir nicht eingestanden hatte. Ungefähr eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang hatte ich die Ruine eines alten Wirtshauses erreicht. Die Schänke, Vorposten eines verlassenen Dorfes, war bis auf die Außenmauern völlig verfallen, und ich nahm meinen Dolch und ritzte in die weichen Steine:
     
    MARIUS, ALTEHRWÜRDIGER:
    LESTAT SUCHT DICH.
    WIR SCHREIBEN DEN MONAT MAI IM JAHRE 1780,
    UND ICH BIN AUF DEM WEG VON PARIS NACH LYON.
    BITTE OFFENBARE DICH MIR.
     
    Ich trat zurück und kam mir reichlich anmaßend vor. Ich hatte bereits die dunklen Gebote übertreten, indem ich den Namen eines Unsterblichen verriet, noch dazu schriftlich. Nun, das erfüllte mich mit außerordentlicher Befriedigung. Und außerdem war Gesetzestreue noch nie meine Stärke gewesen.

 
     
Teil 6
Auf des Teufels Strasse von Paris nach Kairo

1
    Das letzte Mal, daß wir Armand im achtzehnten Jahrhundert gesehen haben, stand er mit Eleni und Nicolas und den anderen vermummten Vampiren vor den Toren von Renauds Theater und sah zu, wie sich unsere Kutsche durch den Verkehr auf dem Boulevard wühlte.
    Kurz zuvor hatte ich ihn mit Nicolas in meinem alten Schminkraum vorgefunden, in ein eigentümliches Gespräch vertieft, das von Nickis Sarkasmus bestimmt wurde. Er trug eine Perücke und einen dunkelroten Gehrock, und ich hatte den Eindruck, daß er sich schon wieder eine Art neuer Undurchschaubarkeit zugelegt hatte, als hätte ihn jede wache Sekunde seit dem Untergang des alten Ordens mit neuer Kraft ausgestattet.
    Nicki und ich hatten uns in diesen letzten peinlichen Augenblicken nichts zu sagen, aber Armand nahm höflich meine Turmschlüssel entgegen und einen Haufen Geld und das Versprechen, er könne von Roget jederzeit mehr bekommen.
    Sein Geist blieb mir verschlossen, aber er sagte noch einmal, daß Nicolas von ihm nichts zu befürchten habe. Und als wir uns verabschiedeten, war ich der Überzeugung, daß Nicolas und der kleine Orden gute Chancen hätten zu überdauern und daß Armand und ich Freunde seien.
    Gegen Ende dieser ersten Nacht waren Gabrielle und ich bereits ein gutes Stück von Paris entfernt, und in den nächsten Monaten zogen wir weiter nach Lyon, Turin und Wien und dann nach Prag und Leipzig und St. Petersburg und dann gen Süden nach Italien, wo wir viele

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