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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Verständnis für Armand. Warum hatte der Orden sich nicht den Zeitläuften angepaßt?
    Denn selbst hier, wo die alten Zeremonien noch hoch im Kurs standen, hatten die Vampire keinerlei Hemmungen, sich als Menschen auszugeben, wenn es ihren Zwecken diente. Nicht anders hielten es die beiden Vampire, denen wir in Venedig begegnet waren, und die anderen, die wir später in Florenz kennenlernen sollten. In schwarze Mäntel gehüllt, mischten sie sich unter das Opernpublikum, strichen während der großen Bankette und Bälle durch dunkle Korridore und saßen zuweilen sogar in überfüllten Kaschemmen, um die Menschen gierig in Augenschein zu nehmen. Mehr noch als andere ihrer Artgenossen pflegten sie sich nach der Mode zur Zeit ihrer Geburt zu kleiden, und sie scheuten sich nicht, sich juwelenbehangen und königlich herausgeputzt zu zeigen.
    Dennoch krochen sie dann wieder in ihre stinkenden Friedhöfe, um zu schlafen, und schreiend entflohen sie jedem Zeichen himmlischer Macht, und mit barbarischer Hemmungslosigkeit warfen sie sich in ihre furchterregenden und schönen Ordensrituale.
    Im Vergleich dazu waren die Vampire in Paris primitiv, ungehobelt und kindisch; aber mir war auch klar, daß gerade die kultivierte Weitläufigkeit von Paris Armand und die Seinen bewogen hatte, sich den Bräuchen der Sterblichen zu entziehen.
    In dem Maße, wie die Hauptstadt Frankreichs weltlicher wurde, hatte sich Armands Orden immer fester an die alte Magie geklammert, während die italienischen Dämonen unter tiefreligiösen Menschen lebten, deren Dasein von römisch-katholischem Geist durchtrankt war, Männern und Frauen, die das Böse nicht minder als die Kirche achteten. Im Grunde waren die alten Bräuche der Dämonen nicht wesentlich anders als die alten Bräuche der Menschen in Italien, so daß sich die italienischen Vampire in beiden Welten zu Hause fühlten.
    Glaubten sie noch an die alten Bräuche? Sie zuckten nur mit den Schultern. Für sie war der Sabbat ein Vergnügen. Hatten Gabrielle und ich nicht unseren Spaß gehabt? Hatten wir uns nicht schlußendlich in ihre Tanzrunden eingereiht?
    »Ihr könnt jederzeit zu uns kommen«, versicherten uns die römischen Vampire. Und was das Theater der Vampire in Paris anbetreffe, diesen Riesenskandal, der die Unseren weltweit schockierte, nun, richtig glauben würden sie das erst, wenn sie es mit eigenen Augen sähen. Vampire, die auf einer Bühne auftraten und ein sterbliches Publikum mit Kunststückchen und Mimikry verblüfften- das hielten sie für allzu pariserisch! Sie lachten bloß.
    Selbstverständlich erhielt ich die ganze Zeit auch direkte Informationen über das Theater. Ich hatte noch nicht einmal St. Petersburg erreicht, als ich ein ausführliches Zeugnis über die »Ausgebufftheit« der Truppe aus Rogets Feder in Händen hielt:
    Sie sehen wie riesige, hölzerne Marionetten aus (schrieb er). Von den Dachsparren aus werden sie scheinbar an Goldschnüren geführt, wenn sie ihre äußerst anmutigen Tänze darbieten. Auf ihre weißen Wangen sind rote Kreise gemalt, und ihre Augen gleichen Glasknöpfen. Es ist kaum zu glauben, mit welcher Perfektion sie den Eindruck erwecken, unbeseelt zu sein. Das Orchester kommt ebenfalls einem Wunder gleich. Mit starren, weißbemalten Gesichtern ahmen sie mechanische Musiker nach - man nimmt ihnen ohne weiteres ab, daß es sich um Gliederpuppen handelt, die mit einem Schlüssel aufgezogen wurden, damit sie ihren kleinen Instrumenten Musik entlocken! Es ist ein derart einnehmendes Schauspiel, daß die Damen und Herren im Publikum darüber streiten, ob das wohl Puppen oder echte Schauspieler seien. Einige schwören Stein und Bein, daß sie alle aus Holz seien und daß die Stimmen, die aus den Mündern der Schauspieler dringen, das Werk von Bauchrednern seien. Was die Stücke selbst anbelangt - man müßte sie zutiefst unschicklich nennen, wären sie nicht so bezaubernd in Szene gesetzt. Eines ihrer beliebtesten Dramen handelt von einem Vampir, der durch eine Falltür auf der Bühne aus seinem Grab aufersteht. Eine furchteinflößende Gestalt mit Fangzähnen und wirrem Haar. Doch ach, er verliebt sich prompt in eine riesige, hölzerne Puppenfrau, ohne zu ahnen, daß sie nicht lebendig ist. Da es sich als unmöglich erweist, aus ihrem Hals Blut zu trinken, geht der arme Vampir bald zugrunde, worauf die Marionette zu erkennen gibt, daß sie, obwohl aus Holz gemacht, tatsächlich lebt, und unter teuflischem Mienenspiel führt sie einen Siegestanz

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