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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Haare waren, wie es bei ihnen der Brauch gewesen war, von der Stirn aus nach hinten kurz geschoren. ›Ich bin noch nicht gemacht gewesen, als es geschähe sagte ich, ›sondern ich wurde erst hinterher geschaffen, von dem Gott des heiligen Hains in Gallien. ‹
    ›Ah, dann war dieser Gott, der dich gemacht hat, unverletzt?‹
    ›Nein, verbrannt wie du, aber er besaß genug Kraft, es zu tun. Immer wieder und wieder gab und nahm er das Blut. Er sagte: Geh nach Ägypten und finde heraus, warum es so gekommen ist. Er sagte, die Götter des Waldes seien in Flammen aufgegangen, manche im Schlaf und manche, als sie wach waren. Er sagte, überall im Norden sei es so gewesen. ‹
    ›Ja.‹ Die Gestalt nickte und stieß ein trockenes röchelndes Lachen aus, das ihren ganzen Körper erfaßte. ›Und nur die Alten hatten die Kraft, zu überleben, die Qualen zu erleiden, weil sie unsterblich sind. Und so leiden wir. Aber jetzt wurdest du gemacht. Und du bist gekommen. Du wirst noch weitere schaffen. Aber ist es gerecht, noch mehr zu schaffen? Hätten Der Vater und Die Mutter es zugelassen, daß dies mit uns geschah, wäre die Zeit dazu nicht reif gewesen?‹
    ›Aber wer sind Der Vater und Die Mutter?‹ fragte ich. Daß er mit der Mutter nicht die Erde meinte, war mir klar.
    ›Die ersten von uns‹, erwiderte er, ›die, von denen wir alle abstammen.‹
    Ich versuchte, seine Gedanken zu durchdringen, die Wahrheit zu erfahren, aber er wußte, was ich tat, und verschloß seine Gedanken, wie sich eine Blume in der Dämmerung schließt.
    ›Komm mit‹, sagte er. Und dann ging er mit schleppendem Schritt aus der großen Kammer und durch einen langen, genauso geschmückten Gang.
    Ich fühlte, daß wir uns an einem noch älteren Ort befanden, der schon vor dem Tempel existiert hatte, aus dem wir gerade kamen. Ich weiß nicht, woher ich das wußte. Das Gefühl von Kälte, das man hier auf der Insel verspürt, war dort nicht vorhanden. In Ägypten gibt es dieses Gefühl nicht. Dort gibt es ein anderes Gefühl: das Gefühl von etwas Lebendigem, das in der Luft liegt.
    Während wir weitergingen, bemerkte ich immer deutlichere Anzeichen für das hohe Alter des Ortes. Die Bilder an den Wänden waren älter, die Farben blasser, und an manchen Stellen wiesen die Farben Risse auf und begannen abzublättern. Und sie waren in einem anderen Stil gemalt. Die schwarzen Haare der kleinen Figuren waren länger und voller, und es kam mir so vor, als sähe alles viel schöner aus, als wäre es von Licht erfüllt und bis ins kleinste vollkommen.
    Irgendwo in der Ferne tropfte Wasser auf Stein. Dieses Geräusch pflanzte sich in einem melodischen Echo durch den Gang fort. Und es war, als steckte Leben in diesen zarten kunstvollen Figuren, als wohne dem Zauber, den die alten kultischen Künstler immer wieder und wieder angestrebt hatten, ein eigener glühender Keim von Macht inne. Ich hörte Flüstern von Leben, wo es kein Flüstern gab. Ich spürte die große Kontinuität der Geschichte, auch wenn es sonst niemanden gab, der sich ihrer bewußt war.
    Die dunkle Gestalt neben mir blieb stehen, während ich mir die Wände ansah. Sie winkte mir lebhaft zu, ihr durch eine Tür zu folgen, und wir betraten eine große rechteckige Kammer, deren Wände über und über mit kunstvollen Hieroglyphen bedeckt waren. Man hatte das Gefühl, sich inmitten eines Manuskripts zu befinden, in ihm eingeschlossen zu sein. Und vor mir standen zwei alte ägyptische Steinsärge Kopf an Kopf an der Wand.
    Sie hatten die Form der Mumien, für die sie gemacht waren, waren ihnen genau angepaßt und mit Farben bemalt, eine Verkörperung der Toten, mit Gesichtern, die in Gold gehauen waren, und Augen aus Lasurstein.
    Ich hielt die Kerze hoch. Und mein Begleiter hob mit großer Anstrengung die Deckel hoch und klappte sie nach hinten, damit ich hineinsehen konnte.
    Zuerst glaubte ich Körper zu sehen, aber als ich sie mir aus der Nähe betrachtete, erkannte ich, daß es sich um Aschehaufen handelte, die eine männliche Form hatten. Außer einem weißen Fangzahn hier und einem Stückchen Knochen dort war nichts an Gewebe geblieben.
    ›Keine noch so große Menge Blut kann sie jetzt noch zurückholen‹, sagte mein Begleiter. › Sie sind jenseits jeder Erneuerung. Die Gefäße des Blutes sind nicht mehr vorhanden. Wer wieder aufstehen konnte, ist aufgestanden, und es wird Jahrhunderte dauern, bis wir geheilt sein werden, bis unsere Schmerzen ein Ende haben.«
    Bevor er die Sarkophage

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