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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mit den Mumien wieder schloß, sah ich noch, daß die Deckel an ihrer Innenseite vom Feuer schwarz waren, dem diese beiden geopfert worden waren. Und es tat mir nicht leid, sie wieder eingesperrt zu sehen.
    Er drehte sich um und ging zur Tür, und ich folgte ihm mit der Kerze, aber dann blieb er stehen und sah noch einmal zurück zu den bemalten Särgen.
    ›Wenn die Asche verstreut wird, sind ihre Seelen frei‹, sagte er.
    ›Aber warum verstreust du die Asche dann nicht?‹ fragte ich und gab mir Mühe, nicht so verzweifelt, nicht so aufgewühlt zu klingen.
    ›Sollte ich das?‹ fragte er, und die Runzeln um seine Augen vertieften sich. › Findest du, daß ich das tun sollte?‹
    ›Das fragst du mich?‹ erwiderte ich.
    Wieder stieß er sein trockenes Lachen aus, das so gequält klang, und führte mich durch den Gang bis zu einem erleuchteten Raum. Wir betraten eine von Kerzen erhellte Bibliothek, in der auf rautenförmigen Holzregalen Pergament- und Papyrusrollen aufbewahrt waren.
    Ich war natürlich entzückt, denn eine Bibliothek war etwas, das mir vertraut war. Es war der einzige menschliche Ort, der mir noch das Gefühl von Normalität vermittelte. Aber ich war erstaunt, als ich dort jemanden sitzen sah - einen von uns -, hinter dem Schreibtisch, mit auf den Boden gerichtetem Blick.
    Er besaß kein einziges Haar am ganzen Körper und war kohlrabenschwarz, aber seine Haut war glatt und glänzend, wie mit Öl eingerieben. Sein Gesicht war glatt und ebenmäßig, seine Hand, die in seinem Schoß auf dem weißen Leinenkilt ruhte, war elegant gebogen, und die Muskeln an seiner nackten Brust waren ausgeprägt und kräftig.
    Er drehte sich zu mir um und sah mich an. Und im selben Augenblick ging etwas vor zwischen uns, etwas, das, wie es bei uns sein kann, noch stiller war als die Stille selbst.
    ›Das ist der Älteste‹, sagte die Gestalt, die mich hierhergebracht hatte. ›Du kannst selbst sehen, wie er dem Feuer standgehalten hat. Aber er wird nicht sprechen. Er hat nicht mehr gesprochen, seit es geschehen ist. Doch gewiß weiß er, wo Die Mutter und Der Vater sind, und warum alles so gekommen ist.‹
    Der Älteste starrte weiter vor sich hin. Aber sein Gesicht drückte Neugier aus, ein wenig sarkastisch und leicht amüsiert, aber auch verächtlich.
    ›Auch vor dieser Katastrophe hat der Älteste nicht oft zu uns gesprochene sagte der andere. ›Das Feuer hat ihn nicht verändert, nicht aufgeschlossener gemacht. Steif und stumm sitzt er da und wird immer mehr wie Die Mutter und Der Vater. Hin und wieder liest er etwas. Hin und wieder geht er oben in der Welt herum. Er trinkt das Blut, er lauscht den Sängern. Hin und wieder tanzt er. Er spricht mit den Sterblichen auf Alexandriens Straßen, aber er spricht nicht mit uns. Er hat uns nichts zu sagen. Aber er weiß… er weiß, warum das alles so gekommen ist mit uns.‹ ›Laß mich allein mit ihm‹, sagte ich.
    Ich wurde von einem Gefühl erfaßt, das in einer solchen Situation jeden überkommt. Ich würde den Mann zum Sprechen bringen; ich würde Dinge aus ihm herausholen, wie es noch niemand getan hatte. Aber es war nicht nur Eitelkeit, die mich trieb. Denn er war es gewesen, der zu meinem Haus gekommen war, dessen war ich ganz sicher. Er war es gewesen, der mich von der Tür aus beobachtet hatte.
    Und ich hatte etwas in seinem Blick gelesen - Intelligenz oder Interesse oder aber auch das Erkennen irgendeines gemeinsamen Wissens, und wie immer man es auch nennen will, irgend etwas war jedenfalls da.
    Und ich erkannte die Möglichkeiten einer anderen Welt in mir, die dem Gott des Waldes verschlossen gewesen war, und auch diesem Schwachen und Verwundeten neben mir, der den Ältesten voller Verzweiflung betrachtete.
    Der Schwache zog sich zurück, wie ich ihn geheißen hatte. Ich ging zum Schreibtisch und sah den Ältesten an. ›Was soll ich tun?‹ fragte ich auf griechisch. Er sah zu mir auf, und ich konnte das, was ich Intelligenz nenne, in seinem Gesicht lesen. ›Hat es einen Sinn, dir noch Fragen zu stellen?‹ fragte ich. Ich war sehr darauf bedacht, den richtigen Ton zu finden. Nicht zu förmlich, nicht zu ehrerbietig, sondern so normal, wie es nur ging.
    ›Sag mir, wonach du suchst! ‹ forderte er mich plötzlich auf lateinisch auf, kalt, mit herunterzogenen Mundwinkeln, schroff und herausfordernd.
    Ich war erleichtert, auf lateinisch antworten zu können. ›Du hast gehört, was ich dem anderen erzählt habe‹, begann ich, ›wie ich von dem

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