Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Die königlichen Zauberer wollten natürlich, daß er es ihnen überließ, den Dämon zu vertreiben. Aber Enkil war es gewohnt, allen Gutes zu tun. Er hatte die Vorstellung, daß alle Dinge im Guten vereint seien, daß alle Kräfte darauf gerichtet seien, einen heiligen Kurs einzuschlagen. Er würde mit diesem Dämon reden und versuchen, dessen Kräfte für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Und nur wenn ihm das nicht gelang, wollte er einer Austreibung des Dämons zustimmen.
Und so ging er in das Haus seines königlichen Verwalters, in dem Möbel gegen die Wände krachten und Krüge zerbarsten und Türen knallten. Und er redete mit diesem Dämon und forderte ihn auf, ihm zu antworten. Alle anderen suchten indessen das Weite.
Eine geschlagene Nacht lang blieb er dort, bevor er das heimgesuchte Haus wieder verließ, und er hatte eine Menge erstaunlicher Dinge zu berichten: Diese Dämonen sind gedankenlos und absolut kindisch, sagte er zu seinen Zauberern, aber ich habe sie mir genau angesehen, um zu erfahren, warum sie so wütend sind. Sie sind völlig außer sich, weil sie keine Körper besitzen, weil sie nicht genauso fühlen wie wir. Sie lassen die Unschuldigen schmutzige Dinge sagen, weil sie selbst nicht imstande sind, Gefühle von Liebe und Leidenschaft zu empfinden. Sie können die einzelnen Körperteile zwar lenken, aber sie haben sie nicht wirklich unter Kontrolle, und so sind sie von dem Fleisch besessen, das sie nicht in Besitz nehmen können. Und deshalb werfen sie mit ihren schwachen Kräften alle möglichen Gegenstände um, bringen ihre Opfer dazu, wie wild um sich zu schlagen und herumzuzappeln. Dieser Wunsch nach Fleischlichkeit ist der Grund für ihren Zorn, sie wollen darauf aufmerksam machen, wie sie leiden müssen. Und mit diesen frommen Worten begann er sich daranzumachen, sich in dem heimgesuchten Haus einzuschließen, um noch mehr über die Dämonen ‘ herauszufinden.
Aber diesmal wollte ihn seine Frau an seinem Vorhaben hindern. Sie wollte nicht zulassen, daß er bei den Dämonen blieb. Er solle doch mal in den Spiegel sehen, sagte sie. In den wenigen Stunden, die er allein in dem Haus verbracht hatte, war er ein schönes Stück gealtert.
Und als er sich einfach nicht davon abbringen ließ, schloß sie sich zusammen mit ihm in dem Haus ein, und draußen, vor dem Haus, hörte man einen ungeheuren Krach, und alle warteten nur darauf, den König und die Königin selbst mit Geisterstimmen laut schreien zu hören. Der Lärm, der aus dem Haus drang, war erschreckend, und in den Mauern traten bereits Risse auf.
Wie schon beim erstenmal rannten alle weg, auch jetzt wieder, außer einer kleinen Gruppe interessierter Männer. Diese Männer waren von Anfang an gegen den König gewesen. Es waren die alten Krieger, die von Ägypten aus die Jagd auf Menschenfleisch angeführt hatten, und sie hatten genug von dem gütigen König, genug von der Guten Mutter Erde und dem Beackern der Felder und solchen Dingen, und sie sahen in diesem Geisterabenteuer nicht nur einen weiteren Beweis für das unsinnige Treiben des Königs, sondern eine günstige Gelegenheit, ihn sich vom Hals zu schaffen.
Als es Nacht wurde, schlichen sie sich in das Geisterhaus. Sie hatten keine Angst vor Geistern, genausowenig wie die Grabschänder, die die Gräber der Pharaonen ausplündern, Angst haben. Sie sind gläubig, aber nicht genug, um ihre Habgier im Zaum zu halten.
Und als sie Enkil und Akascha mitten im Zimmer zwischen den kreuz und quer herumfliegenden Möbelstücken sahen, stürzten sie sich auf die beiden und erdolchten den König unzählige Male, so wie eure römischen Senatoren Caesar ermordet haben, und die einzige Zeugin, seine Frau, stachen sie ebenfalls nieder.
Und der König schrie: Nein, nein, seht ihr denn nicht, was ihr getan habt? Ihr habt es den Geistern ermöglicht einzudringen! Ihr habt ihnen meinen Körper geöffnet! Seht ihr das denn nicht? Doch die Männer ergriffen die Flucht, in der Gewißheit, daß der König und die Königin tot waren, aber die Königin kroch auf Händen und Knien zu ihrem Mann und hielt seinen Kopf im Schoß, und beide bluteten aus mehr Wunden, als man zählen konnte.
Inzwischen brachten die Verschwörer das Volk auf die Beine. Wußten sie auch alle, daß der König von den Geistern getötet worden war? Er hätte diese Geister den Zauberern überlassen sollen, wie es jeder andere König getan haben würde. Und dann machten sich alle mit brennenden Fackeln auf den Weg zu dem
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