Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
voller unvergänglicher Schönheit war und daß keine Seele auf ihr je allein war.
Die Mutter und Der Vater wurden in den schönsten aller Schreine aufbewahrt, die es je gegeben hat, und die Götter kamen alle zu ihnen, um sich, nach ihrem Willen, Tropfen ihres kostbaren Blutes zu holen.
Aber dann trat das Unmögliche ein: Ägypten ging seinem Ende entgegen. Was man bisher für unabänderlich gehalten hatte, änderte sich mit einemmal. Alexander kam, und die Ptolemäer übernahmen die Herrschaft und Caesar und Antonius - alles grobschlächtige fremdartige Protagonisten des Dramas, das schlicht und einfach Das Ende hieß.
Und dann kam schließlich der finstere und zynische Älteste, der Böse, der Enttäuschte, der Die Mutter und Den Vater an die Sonne brachte.
Ich erhob mich von meinem Lager und stand in jenem Zimmer, in Alexandrien und starrte zu der reglosen Gestalt, die Akascha war, und auf das schmutzige Leinentuch, das in Fetzen an ihr herunterhing und wie eine Beleidigung aussah. Und mein Kopf dröhnte von poetischen Liedern. Und ich war von Liebe erfüllt.
Von meinem Kampf mit dem Ältesten war an meinem Körper nichts mehr zu spüren. Die Knochen waren wieder völlig hergestellt. Und ich kniete mich hin, und ich küßte die Finger ihrer rechten Hand, die an ihrer Seite herunterhing. Ich hob den Kopf und sah sie an, und sie sah zu mir herunter, mit gebeugtem Kopf und einem höchst merkwürdigen Ausdruck im Gesicht, der in seinem Schmerz so rein war wie das Glück, das ich gerade erfahren hatte. Dann bewegte sich ihr Kopf ganz langsam, unmenschlich langsam, in seine alte Stellung zurück, nach vom gerichtet, und in diesem Augenblick wurde mir klar, daß ich etwas gesehen und erfahren hatte, das dem Ältesten verschlossen geblieben war.
Wie in Trance wickelte ich ihren Körper wieder in Leinentücher. Mehr denn je fühlte ich mich verpflichtet, mich um sie und Enkil zu kümmern, und keine Sekunde vergaß ich das entsetzliche Bild vom Tod des Ältesten, und das Blut, das sie mir gegeben hatte, steigerte meine Erregung wie auch meine physische Kraft.
Und während ich alles vorbereitete, um Alexandrien zu verlassen, träumte ich wahrscheinlich davon, wie ich Enkil und Akascha wecken würde und wie sie in den darauffolgenden Jahren ihre Lebenskraft, die man ihnen gestohlen hatte, wiedererringen würden und wie wir alle vereint und eng verbunden und uns auf so erstaunliche Weise nahe sein würden, daß die Träume von all dem Wissen und den Erfahrungen, die ich mit ihrem Blut in mich aufgenommen hatte, verblassen würden.
Meine Sklaven waren längst mit den Pferden und dem Wagen für unsere Reise zurück, mit den Steinsarkophagen und den Ketten und Schlössern, die zu besorgen ich ihnen aufgetragen hatte. Sie warteten schon hinter der Mauer.
Und ich stellte die Mumienkästen mit Der Mutter und Dem Vater Seite an Seite in die Steinsärge auf dem Wagen, und ich verschloß sie mit Schlössern und Ketten und bedeckte sie mit schweren Decken, und dann brachen wir, auf unserem Weg zu den Stadttoren, zu dem unterirdischen Tempel der Götter auf.
Als wir zu seiner Tür kamen, gab ich meinen Sklaven den strengen Befehl, laut Alarm zu schlagen, wenn sich jemand nähern sollte, und dann nahm ich einen Ledersack und ging hinunter in den Tempel und in die Bibliothek des Ältesten und steckte alle Schriftrollen, die ich finden konnte, in den Sack. Ich stahl jedes noch so kleine Stück Geschriebenes, das sich dort befand, wenn es sich nur wegbewegen ließ, und am liebsten hätte ich auch noch die Schriften von den Wänden mitgenommen.
Es waren noch andere in den Kammern, aber sie hatten viel zu große Angst, um herauszukommen. Natürlich wußten sie, daß ich Die Mutter und Den Vater gestohlen hatte. Und wahrscheinlich wußten sie auch vom Tod des Ältesten. Doch das störte mich nicht. Ich würde Ägypten verlassen, und die Quelle aller Macht nahm ich mit. Und ich war jung und töricht und in Liebe entbrannt.
Als ich schließlich Antiochia am Orontes erreicht hatte - eine große und wunderbare Stadt, die sich, was die Bevölkerungszahl und den Wohlstand betraf, mit Rom messen konnte -, las ich die alten Papierrollen, und sie bestätigten all das, was mir Akascha offenbart hatte.
Und hier baute ich für sie und Enkil die erste von vielen Kapellen, die ich später überall in Asien und Europa für sie errichtet habe, und sie wußten, daß ich immer für sie sorgen würde, und ich wußte, daß sie nicht zulassen würden,
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