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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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näher zu ihr, und plötzlich sah es so aus, als wäre sie tatsächlich dieses schmiegsame und einnehmende Wesen, und etwas von ihrem Wissen war in mir und wartete darauf, von mir ins Gedächtnis gerufen zu werden, wartete darauf, Freude zu bereiten. Und doch fürchtete ich mich. Sie hätte mit mir genau das gleiche tun können wie mit dem Ältesten. Aber das war absurd. Das würde sie nicht tun. Ich war jetzt ihr Wächter. Sie würde nicht zulassen, daß mir jemand Leid zufügte. Nein. Das mußte ich begreifen. Und ich ging näher und immer näher zu ihr, bis meine Lippen an ihrer bronzenen Kehle lagen, und es war entschieden, als ich den festen, kalten Druck ihrer Hand an meinem Kopf spurte.

13
    Ich will mich gar nicht erst bemühen, die Ekstase zu beschreiben, in der ich mich befand. Du kennst sie. Du hast sie erlebt, als du das Blut von Magnus genommen hast. Du hast sie erfahren, als ich dir in Kairo mein Blut gegeben habe. Du erfährst sie, wenn du tötest. Und du weißt, was es bedeutet, wenn ich sage, daß es genauso war, nur tausendmal mehr.
    Ich sah und hörte und fühlte nichts außer diesem absoluten Glück, dieser absoluten Zufriedenheit.
    Aber ich war an anderen Orten, in anderen Räumen von vor langer Zeit, und ich hörte Stimmen und wie Schlachten verlorengingen. Jemand weinte vor Schmerzen. Jemand schrie mit Worten, die ich kannte und nicht kannte: Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es nicht. Und vor mir öffnete sich ein großer dunkler Teich, und der verlockende Ruf, mich fallen zu lassen, fallen und fallen, und sie seufzte und sagte: Ich kann nicht weiterkämpfen.
    Dann wachte ich auf und lag auf meinem Bett. Sie stand mitten im Zimmer, unbeweglich wie zuvor, und es war mitten in der Nacht, und um uns herum murmelte Alexandrien im Schlaf.
    Ich wußte von so vielen anderen Dingen. So vielen Dingen, daß es Stunden, wenn nicht Nächte gedauert hätte, sie mir anzueignen, wenn sie mir in sterblichen Worten mitgeteilt worden wären. Und ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit inzwischen vergangen war.
    Ich wußte, daß es vor vielen tausend Jahren zwischen den Bluttrinkern Kämpfe gegeben hatte und daß viele von ihnen nach ihrer ersten Schöpfung grausam geworden waren und den Tod auf ganz profane Weise herbeigeführt hatten. Anders als die gütigen Liebenden der Guten Mutter, die ihre Opfer verhungern ließen, um sie dann zu trinken, waren sie Todesengel, die sich jeden Augenblick auf irgendein Opfer stürzen konnten und die überzeugt waren, daß sie der Rhythmus aller Dinge waren oder jedenfalls ein Teil davon, und daß ein einzelnes menschliches Leben nicht zählte, weil es für sie keinen Unterschied gab zwischen Leben und Tod - sie schlachteten ihre Opfer und verbreiteten Kummer und Leid, wie es ihnen nur paßte.
    Und diese schrecklichen Götter hatten Anhänger unter den Menschen, die ihnen huldigten, menschliche Sklaven, die ihnen Opfer brachten und die sich vor Furcht wanden, wenn sie daran dachten, daß sie selbst jeden Augenblick den Launen ihres Gottes zum Opfer fallen könnten.
    Götter dieser Art hatten im alten Babylon geherrscht und in Assyrien und in Städten, die längst vergessen waren, und im fernen Indien und in noch entfernteren Ländern, deren Namen ich nicht kannte.
    Und selbst jetzt, während ich betäubt von diesen Bildern dasaß, wurde mir klar, daß diese Götter zu einem festen Bestandteil des Orients geworden waren; einer Welt, die der römischen Welt, in der ich geboren war, fremd war. Sie gehörten zu der Welt der Perser, deren Menschen Sklaven ihres Königs waren, während die Griechen, die gegen sie gekämpft hatten, freie Menschen waren.
    Und so grausam und ausschweifend wir Römer auch sein mochten, für uns hatte selbst der niedrigste Bauer einen Wert. Das Leben hatte einen Wert. Und der Tod war nur das Ende des Lebens, dem man sich mutig stellen mußte, wenn einem die Ehre keine andere Wahl ließ. Der Tod war für uns nichts Großes. Ich glaube, in Wirklichkeit bedeutete er uns gar nichts. Auf jeden Fall war er nichts, was dem Leben vorzuziehen gewesen wäre.
    Und obgleich mir Akascha diese Götter in all ihrer Größe und mit all ihren Geheimnissen vorgeführt hatte, fand ich sie abstoßend. Ich würde sie weder jetzt noch überhaupt je hinnehmen können, ich wußte, daß die Ideen, die von ihnen ausgingen oder sie rechtfertigen sollten, niemals rechtfertigen würden, daß ich tötete und das Blut meiner Opfer trank. Unsterblich oder nicht, ich gehörte der

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