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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gesehen haben, diesen blassen tödlichen Herrn im Samtumhang, sind euch zu Füßen gelegen und haben euch angebetet.
    Der Gedanke an Unsterblichkeit läßt sie erzittern, die Vorstellung, daß ein wunderbares schönes Wesen durch und durch böse sein könnte, daß es alles fühlt und weiß und sich trotzdem und freiwillig dafür entscheidet, seiner finsteren Gier zu frönen. Vielleicht wünschen sie sich sogar, dieses wonnig böse Wesen zu sein. Und weil dies alles so einfach erscheint, wollen sie es auch.
    Aber gib ihnen diese finstere Macht, und du wirst sehen, daß es unter vielen nur ganz selten einen gibt, der sich nicht so elend fühlt, wie du es tust.
    Und was kann ich dir zum Schluß sagen, das nicht deine schlimmsten Befürchtungen bestätigt? Ich lebe nun schon über achtzehnhundert Jahre, und ich sage dir: Das Leben braucht uns nicht. Ich hatte noch nie einen wirklichen Sinn. Für uns ist kein Platz auf dieser Welt.«

14
    Marius schwieg.
    Zum erstenmal löste er den Blick von mir und sah hinauf zum Himmel hinter den Fenstern, als wären von dort Stimmen zu vernehmen, die ich nicht hören konnte.
    »Es gibt noch einige andere Dinge, die ich dir sagen muß«, sagte er dann, »Dinge, die wichtig sind, obgleich sie rein praktische Fragen betreffen…« Aber er war bis ins Innerste aufgewühlt. »Und es gibt auch Versprechen«, sagte er schließlich, »die ich halten muß…« Dann schwieg er wieder, lauschte, und sein Gesicht war dem von Akascha und Enkil viel zu ähnlich.
    Mir gingen tausend Fragen durch den Kopf, die ich ihm stellen wollte. Aber noch wichtiger waren vielleicht seine tausend Erklärungen, die ich ihm nachsprechen wollte, mit lauter Stimme, um sie begreifen zu können.
    Ich lehnte mich gegen den kühlen Brokatstoff des Ohrensessels und legte die Fingerspitzen aneinander, so daß sie einen spitzen Turm bildeten, und sah vor mich hin, als läge dort seine Geschichte vor mir ausgebreitet, um sie zu lesen, und ich dachte darüber nach, was er über das Gute und das Böse gesagt hatte und wie erschrocken und enttäuscht ich gewesen wäre, wenn er versucht hätte, mich davon zu überzeugen, daß die schrecklichen Götter des Ostens recht hätten mit ihrer Philosophie und daß wir irgendwie stolz sein könnten auf das, was wir taten.
    Auch ich war ein Kind des Westens und hatte während meines kurzen Lebens unter der Unfähigkeit gelitten, das Böse oder den Tod zu akzeptieren.
    Aber hinter allen Betrachtungen stand die erschreckende Tatsache, daß uns Marius alle auslöschen konnte, indem er Akascha und Enkil zerstörte und sich damit einer alten und hinfälligen und nutzlosen Form des Bösen in der Welt entledigte. Oder jedenfalls sah es so aus.
    Und der schreckliche Zustand von Akascha und Enkil… was konnte ich dazu sagen, außer vielleicht, daß auch ich eine erste Ahnung von dem bekommen hatte, was er empfunden haben mußte, daß ich sie vielleicht aufwecken könnte, daß ich sie dazu bringen könnte, wieder zu reden, daß ich sie dazu bringen könnte, sich zu bewegen. Zumindest hatte ich bei ihrem Anblick das Gefühl, daß es jemand tun sollte und könnte. Jemand konnte ihren Schlaf beenden.
    Aber was würden sie sein, wenn sie je wieder gehen und sprechen könnten? Alte ägyptische Monster. Und was würden sie tun?
    Plötzlich kamen mir beide Möglichkeiten verlockend vor - sie aufzuwecken und sie zu zerstören. Beides reizte mich in Gedanken. Ich wollte sie ergründen und mit ihnen kommunizieren, aber ich konnte auch den unwiderstehlichen und wahnsinnigen Wunsch vertreten, sie zu zerstören. Sie in lodernde Flammen aufgehen zu sehen, zusammen mit allen anderen dem Untergang geweihten Mitgliedern unserer Spezies.
    Beides hatte etwas mit Macht zu tun. Und mit dem Sieg über das Verstreichen der Zeit.
    »Gerätst du nicht manchmal in Versuchung?« fragte ich mit trauriger Stimme. Ich überlegte, ob sie mich in ihrer Kapelle unten hören konnten.
    Er erwachte aus seiner Versunkenheit und drehte sich zu mir um und schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Auch wenn du besser als jeder andere weißt, daß es keinen Platz gibt für uns?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Nein.«
    »Ich bin unsterblich«, sagte er, wirklich unsterblich. Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal, was mich jetzt noch töten könnte, wenn es überhaupt noch möglich ist. Aber darum geht es ja gar nicht. Ich will weitermachen. Ich denke nicht mal daran. Mein Bewußtsein ist nur noch auf mich selbst bezogen, auf die

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