Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Spezies, es sei denn, unsere größere Intelligenz und Klugheit und unsere außergewöhnliche Einsicht machten uns dazu; was ich aber eigentlich nicht glaube.«
    »Sprich weiter.«
    Er lachte. »Denkst du, ich höre jetzt auf?«
    »Ich weiß nicht. Ich meine, wo passe ich da rein? Nicht ich, Lestat de Lioncourt, sondern - ich als Vampir.«
    »Du bist ein erdgebundenes Phänomen wie ein Geist. Dazu kommen wir gleich. Als Gott uns als Beobachter auf die Erde sandte, besonders als Beobachter der Menschen, waren wir auf die Lebenden genauso neugierig wie auf die Toten - diese Ansammlung von Seelen, die für uns hör- und sichtbar über der Erde schwebten. Wir nannten sie Scheol, denn uns schien dieser von Unglücklichen bevölkerte Ort ein Reich der Trübnis und Schwermut zu sein. Scheol bedeutet soviel wie Dunkelheit.«
    »Und der Geist, der die Vampire hervorbrachte -«
    »Warte ab. Es ist ganz einfach. Aber ich möchte es dir in der Reihenfolge schildern, wie es mir bewußt wurde. Wie kannst du sonst meinen Standpunkt verstehen? Was ich von dir verlange - daß du mein Stellvertreter wirst -, ist so persönlich und so allumfassend, daß du es nicht vollständig begreifen wirst, wenn du nicht richtig zuhörst.«
    »Entschuldige. Fahr bitte fort.«
    »Also gut. Eine ganze Gruppe von Engeln beschloß, mit mir zu gehen und sich ganz intensiv mit der Materie zu befassen; sie meinten, wenn wir unser gesammeltes Wissen einsetzten, kämen wir zu tieferen Einsichten, so wie Gott es von uns verlangt hatte. Michael war dabei und mehrere weitere Erzengel, ebenso ein paar Seraphim und Ophanim. Dazu kamen noch einige Engel geringeren Ranges, die nicht die intelligentesten sind, aber immerhin Engel und der Schöpfung sehr zugetan; sie waren neugierig zu erfahren, was an der Schöpfung solchen Unmut über Gott in mir erzeugte.
    Ich kann dir nicht sagen, wie viele wir waren. Als wir die Erde erreichten, trennten wir uns, trafen aber in regelmäßigen Abständen zusammen, um unsere Erfahrungen auszutauschen.
    Uns vereinte das Interesse an Gottes Aussage, daß die Menschheit ein Teil der Natur sei. Wir konnten uns das einfach nicht vorstellen, also forschten wir nach.
    Alsbald stellte ich fest, daß die Menschen inzwischen in großen Gruppierungen lebten, ganz anders als die anderen Primaten. Daß sie sich Schutzhütten bauten, sich ihren Körper mit bunten Farben bemalten, daß die Frauen häufig von den Männern getrennt wohnten und daß sie an etwas Unsichtbares glaubten. Nur an was? Etwa an die Seelen ihrer Vorfahren, ihrer lieben Dahingegangenen, die, körperlos und verwirrt, immer noch an die Erde gefesselt waren?
    Ja, das schon, aber die Menschen beteten auch noch andere Wesen an. Sie hatten die Vorstellung von einem Gott, der die wilden Tiere geschaffen hatte, und ihm brachten sie auf Altären blutige Opfer dar, wobei sie diesen Gott, der doch nur eine Facette von Gott dem Allmächtigen darstellte, für ein Wesen von begrenzter Macht hielten, das recht leicht zu erfreuen oder zu beleidigen war.
    Nun kann ich nicht sagen, daß mich das alles sehr überraschte. Ich hatte die Zeichen, die darauf hinwiesen, sehr früh erkannt. Doch fasse ich jetzt für dich Millionen von Jahren fortgesetzter Offenbarungen zusammen. Als ich mich dann aber diesen Altären näherte und die an den Gott der wilden Tiere gerichteten Gebete vernahm, als ich sah, wie bedachtsam und sorgfältig sie mit dem vorgesehenen Opfer umgingen - einem geschlachteten Widder oder Hirschen -, war ich merklich betroffen von der Tatsache, daß die Menschen nicht nur in ihrem Äußeren den Engeln glichen, sondern daß sie auch in gewisser Weise auf die Wahrheit gestoßen waren.
    Instinktiv waren sie darauf gekommen! Es gab einen Gott, sie wußten es, auch wenn sie sein Wesen nicht verstanden. Und dieses instinktive Wissen schien den gleichen Ursprung zu haben wie ihre Seelen, die über den Tod des Körpers hinaus weiterlebten. Ich will das noch klarer machen: Selbst-Bewußtheit und die Erkenntnis, sterben zu müssen - all dies hatte in den Menschen einen deutlichen Sinn für ihre Individualität geweckt, und diese Individualität ließ sie den Tod fürchten. Sie sahen ihn geschehen, wußten, worum es sich handelte, mußten ihn hinnehmen. Und sie flehten zu einem Gott, damit Er dem Sterben Sinn verlieh. Dieser Individualität entsprang dann die Hartnäckigkeit, die die menschliche Seele befähigte weiterzuleben, nachdem sie den Körper verlassen hatte; denn indem sie die Form

Weitere Kostenlose Bücher