Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
bestand, nicht stören -, da bemerkten wir, daß diese Seelen daraus Kraft schöpften, daß sie dadurch, daß die Lebenden ihnen Aufmerksamkeit schenkten, daß sie ihnen Zuneigung entgegenbrachten und in ihren Gedanken bei ihnen waren, ermutigt wurden weiterzubestehen.
    Und so wie die Engel waren auch diese Seelen Individuen mit unterschiedlichem Grad an Intelligenz und Wissensdurst und mit verschiedenen Interessen; und ebenso konnten sie alle menschlichen Gefühle empfinden. Einige Seelen wußten beispielsweise, daß sie gestorben waren, und versuchten, auf die Gebete ihrer Kinder zu antworten und aktiv Rat zu spenden, indem sie mit aller Kraft, die sie ihrer geistigen Stimme verleihen konnten, zu ihnen sprachen. Sie verwandten große Mühe darauf, in Gegenwart ihrer Kinder sichtbar zu werden, und manchmal erreichten sie das sogar für Sekunden, indem sie mit der äußersten Kraft ihres unsichtbaren Wesens Materieteilchen um sich sammelten. Oder sie nutzten die Träume der Menschen, um ihnen zu erscheinen, da die menschliche Seele sich im Schlaf anderen Seelen öffnet. Dann sprachen sie zu ihren Kindern von der Bitternis und Dunkelheit des Todes und ermahnten sie, sich unerschrocken und stark dem Leben zu stellen. Und in einigen Fällen wenigstens schienen sie zu wissen, daß sie durch den Glauben und die Aufmerksamkeit ihrer Söhne und Töchter in ihrer Existenz bestärkt wurden. Sie verlangten Opfergaben und Gebete und erinnerten ihre Nachkommen an ihre Pflichten ihnen gegenüber. Diese Seelen waren bis zu einem gewissen Grade auch die am wenigsten verwirrten, wenn man einmal außer acht läßt, daß sie annahmen, alles Menschenmögliche schon gesehen zu haben.«
    »Kein Hinweis auf den Himmel?« fragte ich.
    »Nein, und vom Himmel drang kein Licht nach Scheol durch und auch nicht der Wohlklang der Gesänge. Von Scheol aus sah man nur die Finsternis, die Sterne und die Menschen auf der Erde.«
    »Das ist unerträglich.«
    »Nicht, wenn du glaubst, du bist ein Gott für deine Kinder, und wenn du immer noch Kraft aus dem bloßen Anblick der Trankopfer schöpfen kannst, die über deinem Grab ausgegossen werden. Nicht, wenn du Freude verspürst über die, die auf deine Ratschläge hören, und Arger über die ändern und nicht, wenn du dann auch noch -und manchmal mit ziemlich spektakulären Ergebnissen - Kontakt aufnehmen kannst.«
    »Ah ja, natürlich. Und für ihre Kinder waren sie offenbar Götter.«
    »Eine Art göttlicher Vorfahren. Nicht der allmächtige Schöpfer. Die Menschen unterschieden da sehr genau.
    Ich ließ mich von Scheol und den damit verknüpften Fragen ziemlich fesseln. Manche der Seelen dort wußten gar nicht, daß sie tot waren, sie wußten nur, daß sie verloren waren und blind und unglücklich, und deswegen weinten sie fortwährend wie Kinder. So schwach waren sie, daß sie, glaube ich, nicht einmal die Anwesenheit anderer Seelen fühlten.
    Es gab auch verblendete Seelen, die ganz eindeutig dachten, sie lebten noch! Sie verfolgten ihre Verwandten in dem vergeblichen Versuch, die Aufmerksamkeit dieser offensichtlich schwerhörigen, vergeßlichen Kinder zu erlangen, obwohl die sie zwangsläufig nicht hören und sehen konnten. Und diese Seelen, die sich noch lebendig wähnten, versuchten natürlich nicht, Materie um sich zu sammeln, um sich sichtbar zu machen oder jemandem im Traum zu erscheinen, da sie sich ja ihres Zustands nicht bewußt waren.
    Des weiteren gab es Seelen, die die Sterblichen heimsuchten und dabei wußten, daß sie nur Geister waren. Dann gab es noch die, die einfach dahintrieben und andere Wesen nur wie im Traum wahrnahmen.
    Und einige Seelen starben. Direkt vor meinen Augen starben sie. Ich stellte schon bald fest, daß sogar viele starben. Wenn sie ihren menschlichen Körper verlassen hatten, überlebten sie eine Woche, vielleicht einen Monat, währenddessen sie ihre menschliche „Form beibehielten. Danach wurde ihre Erscheinung immer schwächer. Ihre Substanz, ihr Kern schien nach und nach zu zerfließen, so wie es bei den Tieren geschah, wenn sie starben. In Luft aufgelöst, vielleicht wieder verschmolzen mit der göttlichen Energie, dem göttlichen Wesenskern.«
    »Das war alles?« fragte ich verzweifelt. »Ihre Energie floß zurück in ihren Schöpfer, das Licht der Kerze kehrte heim ins ewige Feuer?«
    »Ich weiß nicht. Und so etwas habe ich auch nicht gesehen - ich meine, kleine Flämmchen, die zum Himmel schwebten, angezogen von einer liebespendenden, machtvoll

Weitere Kostenlose Bücher