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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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auf. »Was ist dir geschehen?«
    »Ihr habt Rogers Sachen alle fortgebracht?« fragte ich. »Beinahe alle?«
    »Ja, sie sind in der Kapelle von Sankt Elisabeth, da sind sie sicher«, sagte Dora.
    »Sankt Elisabeth.« Das war der Name des Klosters gewesen, als es noch ein Waisenhaus war. Ich hatte den Namen nie vorher von ihr gehört.
    »Keiner wird auf die Idee kommen, sie da zu suchen. Die Presse interessiert sich sowieso nicht mehr für mich. Und Rogers Feinde kreisen um seine Unternehmen wie die Geier; sie haben sich auf seine Bankguthaben und laufenden Wechsel eingeschossen und auf die Bankschließfächer und ermorden sich gegenseitig wegen der Schlüssel. Seine Vertrauten haben seine Tochter zur Zufallsbeteiligten erklärt, unwichtig, ruiniert. Zählt nicht.«
    »Gott sei Dank«, seufzte ich. »Hast du die Nachricht von seinem Tod verbreitet? Wird bald alles vergessen sein, was seine Geschichte betrifft und welche Rolle du dabei gespielt hast?«
    »Man fand seinen Kopf«, sagte Armand ruhig.
    Mit gedämpfter Stimme erzählte er es. Ein paar Köter hatten den Kopf aus einem Abfallhaufen gezerrt und sich darum gebalgt. Ein alter Mann, der sich unter einer Brücke an einem Feuer wärmte, hatte sich das gut eine Stunde lang angesehen, bis ihm bewußt wurde, daß das ein menschlicher Kopf war, um den die Hunde sich rauften. Man brachte den Kopf zu den zuständigen Stellen, und durch genetische Tests an Haut und Haaren stellte man fest, daß es Roger war. Zahnabdrücke brachten nichts, denn Roger hatte tadellose Zähne. Blieb also nur Dora, um ihn zu identifizieren.
    »Er muß es gewollt haben, daß man ihn findet«, sagte ich.
    »Wie kommst du darauf? Wo bist du gewesen?« fragte David.
    »Ich habe deine Mutter gesehen«, wandte ich mich an Dora. »Ihre blondierten Haare und ihre blauen Augen. Sie werden bestimmt bald im Himmel sein.«
    »Was um alles in der Welt redest du, mein Liebling?« fragte sie. »Mein Engel, was erzählst du mir da?«
    »Setzt euch hin, alle. Ich werde euch die ganze Geschichte erzählen. Hört mich ohne Unterbrechung an. Nein, ich will mich nicht setzen, nicht mit diesem Himmel und dem wirbelnden Wind und dem Schnee und dieser Kirche hinter meinem Rücken. Ich werde hier auf und ab gehen, und ihr hört euch an, was ich euch zu sagen habe.
    Und merkt euch eins. Was ich auch erzähle, ich habe es wirklich erlebt! Vielleicht hat man mich nur reingelegt, ausgetrickst. Vielleicht bin ich einer Täuschung erlegen. Aber diese Geschichte habe ich mit eigenen Augen wahrgenommen, mit eigenen Ohren gehört!«
    Und dann erzählte ich ihnen alles, von ganz vorne angefangen. Jeder von ihnen kannte schon Bruchstücke davon, nun lieferte ich ihnen die fehlenden Teile - angefangen bei meinem ersten verhängnisvollen Blick auf Roger und meiner Liebe zu ihm, zu seinem unverfrorenen, weißblitzenden Lächeln und den schuldbewußten, glühenden schwarzen Augen, bis hin zu dem Augenblick gestern abend, als ich mich durch die Tür dieses Apartments katapultierte.
    Ich erzählte ihnen alles. Jedes Wort, das Memnoch und Gott, der Menschensohn, gesagt hatten. Alles, was ich im Himmel und in der Hölle gesehen hatte. Ich redete von den Gerüchen und Farben in Jerusalem. Ich redete und redete und redete …
    Die Geschichte verschlang die Nacht, sie fraß die Stunden, während ich auf und ab schritt wie in Raserei, mich wiederholte, um bestimmte Steilen ganz korrekt wiederzugeben. Zum Beispiel die Schritte der Evolution, die die Engel so geschockt hatten, und die unendlich großen Bibliotheken des Himmelreichs und den Pfirsichbaum mit Früchten und Blüten zugleich und dann die Begegnungen mit Gott; und den Söldner, der dort in der Hölle lang auf dem Rücken lag und sich weigerte nachzugeben. Ich beschrieb ihnen genau das Innere der Hagia Sophia. Ich redete von den nackten Männern auf dem Schlachtfeld. Und immer wieder beschrieb ich ihnen die Hölle. Schilderte den Himmel. Ich wiederholte ihnen meine letzte Weigerung gegenüber Memnoch, daß es mir unmöglich sei, ihm beizustehen, daß ich mich außerstande sah, in seiner Schule zu lehren!
    Nicht einen Laut hörte ich von ihnen, während ich sprach. Als ich geendet hatte, starrten sie mich an.
    »Du hast den Schleier?« fragte Dora mit bebenden Lippen. »Du hast ihn behalten?«
    Sie neigte den Kopf leicht zur Seite in einer Vergebung andeutenden Geste, falls ich jetzt sagte: »Nein, ich habe ihn draußen auf der Straße verloren, ich habe ihn an einen Bettler

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