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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nicht mehr. Und ihren Anhängern hatte sie sich weder gezeigt noch zu ihnen gesprochen.
    Zeitungsartikel und Ausschnitte im Fernsehen hatten ihr gezeigt, daß der Skandal sie mit einer unbestimmt-mysteriösen Aura umgeben hatte. Doch im großen und ganzen betrachtete man sie als eine Art Sackgasse, die zu nichts fühlte - eine kurzfristig interessante Fernsehpredigerin, die von den Geschäften ihres Vaters nichts geahnt hatte.
    Durch Davids und Armands Gesellschaft hatte sie die Verbindung zu ihrer früheren Welt verloren, saß hier in New York, während der schlimmste Winter seit fünfzig Jahren die Stadt in seinen Klauen hielt. Sie hatte hier inmitten der religiösen Kunstwerke und Reliquien gehaust und den beiden zugehört, ihren sanften Tröstungen, ihren wundersamen Geschichten, unentschieden, wie sie sich weiter verhalten sollte, doch immer noch im Glauben an Gott …
    Das also waren die Neuigkeiten für mich.
    Ich nahm die Wolldecke entgegen und marschierte - immer noch nur mit dem einen Schuh - durch das Apartment. Schließlich zog ich mich in das kleine Zimmer zurück und wickelte mich in die Decke. Das Fenster hier war verhängt, so daß die Sonne nicht hineinscheinen konnte.
    »Kommt bloß nicht in meine Nähe«, sagte ich. »Ich brauche jetzt den Schlaf eines Sterblichen. Ich muß erst mal eine Nacht durchschlafen und den nächsten Tag dazu, dann werde ich euch alles erzählen. Aber faßt mich nicht an, kommt mir nicht zu nahe.«
    »Kann ich nicht in deinen Armen schlafen?« fragte Dora, ein bleiches, pulsierendes, blutdurchströmtes Menschenwesen, wie sie da im Türrahmen stand, mit ihren vampirischen Schutzengeln hinter sich.
    Der Raum lag im Dunkeln. Einzig eine Truhe mit sakralen Kunstwerken war hier zurückgeblieben.
    »Nein. Wenn erst die Sonne aufgegangen ist, wird mein Körper sich unter allen Umständen, ohne daß ich es beeinflussen kann, gegen sterbliche Anwesende verteidigen. Du kannst diesen Schlaf nicht mit mir teilen. Das ist unmöglich.«
    »Dann laß mich wenigstens jetzt bei dir bleiben.«
    Die beiden anderen starrten über ihre Schulter hinweg auf die Lider meines leeren linken Auges, die sich schmerzhaft zuckend aufeinanderpreßten. Es mußte geblutet haben. Doch unser Blut gerinnt schnell. Das Auge war bis zu seiner Wurzel herausgerissen worden. Doch wo war diese Wurzel?
    Ich konnte immer noch das süße köstliche Blut riechen, das Blut, das ich von ihr genommen hatte. Es haftete an meinen Lippen; ihr Blut.
    »Laß mich schlafen«, sagte ich.
    Ich verschloß die Tür und streckte mich auf dem Boden aus. Mit angewinkelten Knien lag ich, warm und geborgen in die Wolldecke gehüllt. Der Duft der Kiefernnadeln und der Erde, die sich in meinen Kleidern verfangen hatten, stieg mir in die Nase. Ich roch Rauch und bröckelnde getrocknete Exkremente und natürlich Blut, das menschliche Blut von den Schlachtfeldern, das Blut aus der Hagia Sophia, das von dem toten Kind auf mich gespritzt war, und da war der Geruch von Pferdemist und der Geruch des höllischen Mergels.
    Das hatte ich nun alles mit in diese Decke eingewickelt, und eine Hand preßte ich immer noch auf das Stoffbündel, auf den zusammengelegten Schleier auf der bloßen Haut meiner Brust.
    »Kommt mir nicht zu nahe«, flüsterte ich abermals, bestimmt für die Ohren der Unsterblichen dort vor der Tür, die ganz durcheinander und verwirrt waren.
    Dann schlief ich.
    Liebliche Ruhe, liebliche Dunkelheit. Wäre doch der Tod wie dies hier. Könnte man doch schlafen, immerfort schlafen, einen ewigen Schlaf.

Kapitel 23
    V ierundzwanzig Stunden lang hatte ich wie bewußtlos geschlafen. Ich erwachte erst wieder am nächsten Abend, als die Sonne schon hinter dem winterlichen Horizont versank.
    Ein hübsches Sortiment meiner eigenen Kleidung war auf der hölzernen Truhe ausgebreitet und dazu ein Paar Schuhe.
    Ich fragte mich lebhart, wer all das aus den Koffern ausgewählt hatte, die David zuvor von meinem nahe gelegenen Hotel hatte herüberschicken lassen. Vermutlich war er das wohl selbst gewesen. Ich mußte lächeln, als ich daran dachte, wie oft in unserem Leben David und ich schon bis zum Hals in geradezu abenteuerliche Bekleidungsprobleme verstrickt gewesen waren.
    Aber wissen Sie, wenn ein Vampir solche Kleinigkeiten, wie es Kleider sind, wegläßt, macht die Story keinen richtigen Sinn. Selbst die grandiosesten Sagengestalten - wenn sie aus Fleisch und Blut sind - kommen nicht umhin, sich über solche Dinge wie die Schnallen ihrer

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