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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verwahrt, ja, alles habe ich mitgebracht, nur nicht mein gottverfluchtes Auge, das habe ich auf den Stufen zur Hölle zurückgelassen, damit ich selbst davonkam. Ich möchte diese Beweisstücke natürlich auch analysieren lassen. Ich möchte ebenfalls wissen, was das für ein Wald war, in dem ich herumspazierte, während ich Memnoch lauschte!«
    »Sie haben dich entkommen lassen«, vermutete David.
    »Du hättest sein Gesicht sehen müssen, als er meinen Augapfel auf den Stufen liegen sah«, sagte ich.
    »Was sahst du in seinem Gesicht?« fragte Dora.
    »Entsetzen, Entsetzen darüber, daß so etwas geschehen konnte. Weißt du, ich denke, als er nach mir griff - so, auf diese Art -, schössen zwei seiner Finger über das Ziel hinaus und krallten sich in meine Augenhöhle. Er hatte mich wohl nur bei den Haaren packen wollen. Doch als seine Finger sich in die Augenhöhle bohrten und er sie erschrocken zurückziehen wollte, sprang der Augapfel heraus und glitt über meine Wange - er war vor Schreck wie gelähmt!«
    »Du liebst ihn«, flüsterte Armand mit erstickter Stimme.
    »Ja, ich liebe ihn. Ich denke, er hat so ziemlich recht mit allem, was er sagte. Aber ich glaube an nichts davon.«
    »Warum hast du nicht zugesagt?« wollte Armand wissen. »Warum hast du ihm nicht deine Seele überlassen?«
    Oh, wie unschuldig er sich anhörte, wie sehr von Herzen doch diese Worte kamen, einem Herzen so uralt und kindlich und so übernatürlich stark, daß es Hunderte von Jahren gedauert hatte, bis es gefahrlos neben sterblichen Herzen schlagen konnte. Armand, der kleine niedliche Teufel.
    »Warum hast du nicht zugestimmt?« drängte er.
    »Sie haben dich entkommen lassen, und sie hatten einen Grund dafür«, sagte David. »Genau wie bei meiner Vision in dem Cafe.«
    »Ja, sie hatten einen Plan«, antwortete ich. »Aber habe ich diesen Plan etwa vereitelt?« Ich sah ihn um Antwort bittend an, ihn, den Weisen, den Alten, was menschliche Lebensjahre anging. »David, habe ich ihre Pläne durchkreuzt, als ich dich aus deinem Leben riß? Habe ich auf irgendeine Art ihre Pläne durchkreuzt? Oh, wenn ich mich nur an ihre Worte erinnern könnte, an ihre anfänglichen Worte zu Beginn dieser Geschichte. Vergehung. Jemand sagte, es sei nicht einfach nur Vergeltung. Doch ich nahm ja alles nur bruchstückhaft wahr. Ich kann mich nicht richtig erinnern. Was ist bloß geschehen? Werden sie meinetwegen noch einmal kommen?«
    Ich begann wieder zu weinen. Zu dumm. Erneut begann ich, Memnoch in all seinen Erscheinungsformen zu schildern, selbst in seiner Gestalt als der Unauffällige, die so außergewöhnlich gewesen war ihrer Proportionen wegen. Schilderte die gespenstischen Schritte, die Schwingen, den Rauch, die Herrlichkeit des Himmels, die Gesänge der Engel.
    »Saphirfarben…«, wisperte ich. »Die Dinge dort, all das, was die Propheten sahen und in ihre Schriften einstreuten mit Worten wie Topas und Beryll und Feuer und Gold und Eis und Schnee, das alles war dort … Und Er sagte: >Trink mein Blut!< Und ich tat es!«
    Sie rückten nah zu mir heran. Ich hatte sie erschreckt. Ich war zu laut geworden, durchgedreht, wie besessen. Sie umringten mich, ihre Arme an meinen Körper gedrückt. Doras glühende weiße Menschenarme, die Wärmste, Süßeste von den dreien, und Davids finstere Stirn gegen meine Wange gepreßt.
    »Wenn du«, sagte Armand, während seine Finger in meinen Kragen schlüpften, »wenn du mich trinken ließest, wüßte ich es…«
    »Nein, alles, was du erfahren würdest, ist, daß ich glaube, was ich sah, und nicht mehr!« antwortete ich.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde das Blut Christi erkennen, wenn es über meine Zunge fließt.«
    Ich wehrte ab. »Faßt mich nicht an. Ich weiß ja nicht einmal, wie das Tuch jetzt aussieht. Unter Umständen sieht man nur eine paar verschmierte Stellen, als hätte ich im Traum damit den blutigen Schweiß von meinem Gesicht gewischt. Los, zurück mit euch, laßt mich los!«
    Sie gehorchten. Ich stand mit dem Rücken zur Innenwand, so daß ich links von mir den Schnee sehen konnte - obwohl ich dazu natürlich jetzt den Kopf wenden mußte. Ich betrachtete die drei. Mit der Rechten kramte ich unter der Weste, zog das dicke Bündel Stoff hervor, und ein kaum wahrnehmbares, aber merkwürdiges Gefühl überkam mich, das ich ihnen nicht hätte erklären können, das ich mir nicht einmal selbst erklären konnte. Unter meinen Fingern fühlte ich das Gewebe, die Struktur des Stoffes,

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