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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bis zum Jüngsten Tag. Such dir eine aufrichtigere Person für deine Geschichte.«
    »Hör mir endlich zu«, zischte er. »Du liebst mich. Du hast mich ausgewählt. Ich will nur, daß du jede Kleinigkeit über mich erfährst.«
    »Ich werde mich auf irgendeine Art um Dora kümmern. Ich überlege mir, wie ich ihr helfen kann, mir fällt schon etwas ein. Ich kümmere mich auch um deine Sammlung, ich bringe sie in Sicherheit, bewahre sie für Dora auf, bis sie in der Verfassung ist, die Sachen anzunehmen.«
    »Ja.«
    »Gut, dann laß mich gehen.«
    »Ich halte dich nicht«, sagte er.
    Er hatte recht, ich liebte ihn. Ich wollte ihn anschauen. Ich wollte, daß er mir alles, auch noch die kleinste Kleinigkeit, erzählte! Ich beugte mich vor und ergriff seine Hand. Nicht lebendig, kein menschliches Fleisch. Aber voller Vitalität, brennend, erregend.
    Er lächelte nur.
    Mit seiner rechten Hand umklammerte er mein Handgelenk und rückte näher heran. An meiner Stirn konnte ich sein Haar fühlen, nur eine einzelne lose Strähne, die mich kitzelte. Große dunkle Augen sahen mich an.
    »Hör mir zu«, wiederholte er. Geruchloser Atem.
    »Ja…«
    Und dann begann er mit gedämpfter, hastiger Stimme zu reden. Er erzählte mir seine Geschichte.

Kapitel 4
    E s begann also in New Orleans: Der Kapitän schmuggelte Kunstgegenstände, aber er sammelte auch selbst. Mehrere Jahre habe ich mit ihm verbracht. Meine Mutter hatte mich nach Andover geschickt, doch sie holte mich zurück, sie kam ohne mich nicht zurecht. Ich ging dann zu den Jesuiten in die Schule, irgendwie gehörte ich nirgends so recht hin, und so kam der Kapitän vielleicht gerade zum richtigen Zeitpunkt. Auch Wynken de Wilde entdeckte ich durch den Kapitän und die Antiquitäten, mit denen er im Viertel handelte; meistens waren es kleine Gegenstände, die man direkt mitnehmen konnte.
    Und das muß ich dir sagen: In meinem Leben bedeutete Wynken de Wilde nur eines - einen Traum. Daraus wurde ein ganz eigensinniges Vorhaben. Also die eine große Leidenschaft meines Lebens - von Dora abgesehen -, das war Wynken de Wilde. Und wenn ich dir alles erzählt habe und du dann immer noch nicht an ihm interessiert bist, dann weiß ich nicht, wer sonst dafür in Frage käme. Dora interessiert er jedenfalls nicht.«
    »Und um was ging es bei Wynken de Wilde?«
    »Um Kunst natürlich, um Schönheit. Aber mit siebzehn habe ich das ziemlich durcheinandergebracht, so daß ich mir vornahm, einen neuen Kult zu gründen - freie Liebe, Gaben an die Armen, keine Gewalt, weißt du, so eine Art Amish-PeopleGemeinschaft, allerdings mit jeder Menge Sex. Bezeichnenderweise war das 1964, in der Zeit der Blumenkinder, überall wurde Marihuana geraucht, und Bob Dylans Songs schienen andauernd nur von Ethik und Nächstenliebe zu handeln. Und ich hatte eine mittelalterliche Laienbruderschaft im Sinn, nur daß ich ihre Lehren noch erweitern wollte durch meine Vorstellungen von der sexuellen Revolution. Weißt du etwas über diese Bruderschaften?«
    »Ja, sie vertraten im späten Mittelalter einen volkstümlichen Mystizismus, der besagte, jedermann sei in der Lage, Gott zu erkennen.«
    »Ja! Ah, daß du von solchen Dingen weißt!«
    »Und man mußte kein Priester oder Mönch sein.«
    »Genau. Und deshalb eiferten die Mönche heftig gegen sie; aber in meiner jugendlichen Vorstellung brachte ich die Laienbruderschaften in Verbindung mit Wynken, von dem ich wußte, daß er vom deutschen Mystizismus beeinflußt war, von Meister Eckhart und auch von populären Bewegungen der damaligen Zeit. Wynken arbeitete in einem Skriptorium, wo er Abschriften von Gebetbüchern anfertigte; seine Bücher wiesen jedoch riesige Unterschiede zu denen anderer auf. Ich glaubte damals, wenn ich nur alle seine Bücher auftreiben könnte, würde ich es schaffen.«
    »Was war bei Wynken so anders?«
    »Laß mich der Reihe nach erzählen. Es war also folgendermaßen:
    Meine Mutter leitete ihre Pension - du kennst diese schäbig-eleganten Unterkünfte -, ohne selbst einen Finger krumm zu machen; sie beschäftigte drei Dienstmädchen und einen alten Farbigen, die machten die Arbeit. Die Gäste, alte Leute, hatten üppige Einkünfte, ihre großen Wagen standen in Garagen im Garden District, sie aßen drei Mahlzeiten pro Tag und bestanden auf roten Teppichen. Du weißt, wie das Haus war. Spätviktorianisch, nach Entwürfen von Henry Howard gebaut. Meine Großmutter hatte es meiner Mutter vermacht.«
    »Ich kenne es; ich habe dich

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