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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Früchten beladenen Bäumen vergnügten. Der Kapitän nannte sie ›Symbolische Bilder für den Garten Eden‹ und hielt sie für ziemlich gewöhnlich. Aber gleich zwei Bücher über dasselbe Thema? Nein, damit mußte es etwas auf sich haben. Diese Nuß wollte ich knacken! Ich wollte eine wörtliche Übersetzung.
    Und dann tat der Kapitän etwas so Liebes wie noch nie vorher, etwas, wodurch ich ein großer religiöser Führer hätte werden können, was vielleicht sogar heute noch Einfluß auf Dora haben könnte, obwohl sie an etwas völlig anderes glaubt als ich damals.«
    »Er hat dir die Bücher überlassen.«
    »Ja! Stell dir das vor. Und ich sage dir noch etwas. In diesem Sommer reiste er mit mir kreuz und quer durchs Land, damit ich in mittelalterlichen Manuskripten nachschlagen konnte! Wir waren in Pasadena, in Chicago, in New York. Er hätte mich auch mit nach England genommen, aber das erlaubte meine Mutter nicht. Ich bekam die unterschiedlichsten Bücher zu Gesicht, wobei ich herausfand, daß man Wynkens Schriften mit nichts vergleichen konnte. Wynkens waren blasphemisch und weltlich. Und nicht eine dieser Bibliotheken besaß ein Buch von Wynken de Wilde, obwohl man seinen Namen kannte!
    Der Kapitän überließ mir die Bücher! Und sofort begann ich mit der Übersetzung. Noch während meiner ersten Woche in der Oberstufe starb der Kapitän, vom in seinem Zimmer zur Straße. Ich weigerte mich, zur Schule zu gehen. Ich wollte ihn nicht allein lassen, ich blieb bei ihm. Er fiel in ein Koma. Sein Gesicht veränderte sich so sehr, daß man ihn nach einigen Tagen kaum noch erkannte. Er lag da mit geöffneten Augen, ohne etwas wahrzunehmen, sein Mund hing schlaff herab, sein Atem keuchte. Und ich bin bei ihm geblieben, bis er beerdigt worden ist. Wie ich es dir erzählt habe.«
    »Ich glaube dir ja.«
    »Nun, ich war siebzehn, meine Mutter war schon sehr krank; es war kein Geld fürs College da, von dem jeder andere Oberstufenschüler bei den Jesuiten redete. So träumte ich also von den Blumenkindern in Kalifornien, hörte Joan Baez’ Songs und stellte mir vor, ich würde nach San Francisco gehen, um mit Wynken de Wildes Botschaft einen Kult zu gründen.
    So weit war ich nämlich mit meiner Übersetzung gekommen. Geholfen hatte mir dabei schon seit einiger Zeit ein alter Priester bei den Jesuiten; das war einer von diesen wirklich brillanten Lateingelehrten, die die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen müssen, kleinen Jungen Benehmen beizubringen. Er half mir gerne bei den Übersetzungen; was für ihn natürlich auch ein bißchen die Verheißung intimer Nähe zu mir bedeutete - daß er für Stunden mit mir allein in einem Zimmer sein konnte.«
    »Du hast dich also aufs neue verkauft, noch ehe der Kapitän gestorben war?«
    »Nein, so war es nicht. Nicht wie du denkst. Na ja, so ähnlich. Nur daß dieser Priester wirklich im Zölibat lebte; er war Ire, solche Priester wie die damals kann man heute gar nicht mehr verstehen. Sie haben nie irgend jemandem etwas getan. Ich glaube, die masturbierten nicht mal. Ich glaube, es ging ihnen nur darum, den Jungen nahe zu sein; höchstens, daß sie mal schwer atmeten. Heutzutage fühlen sich solche total verklemmten Leute nicht mehr vom Klosterleben angezogen. Solche Männer wären eher während der Messe schreiend auf den Altar gestiegen, als daß sie ein Kind belästigt hätten.«
    »Er bemerkte also gar nicht, daß er sich von dir angezogen fühlte, daß er dir deshalb eine Gefälligkeit erwies?«
    »So ist es, und deshalb verbrachte er Stunden mit mir bei der Übersetzung von Wynken. Er bewahrte mich davor, durchzudrehen.
    Er kam auch häufig und schaute nach dem Kapitän. Wenn der katholisch gewesen wäre, hätte ihm Father Kevin auch die Letzte Ölung gegeben. Versuch das zu verstehen, bitte. Leute wie den Kapitän und Father Kevin kannst du nicht verurteilen.«
    »Nein, und Jungen, wie du einer warst, auch nicht.«
    »Außerdem kam noch dazu, daß sich meine Mutter im Jahr vorher einen verheerenden Freund zugelegt hatte, einen Typ mit zuckersüßem, gespreiztem Gehabe und extrem gewählter Ausdrucksweise, aber innerlich total verdorben und aus absolut unbefriedigenden Verhältnissen. Er hatte grabentiefe Furchen in einem ansonsten recht jungen Gesicht - und er rauchte du Mauriers. Ich glaube, daß er meine Mutter heiraten wollte und sich Hoffnungen auf das Haus machte. Verstehst du?«
    »Ja, das hätte bedeutet, daß du nach dem Tod des Kapitäns niemanden gehabt

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