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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zu erkennen gewesen waren.
    »Jesus Christus«, murmelte ich.
    Er lachte. »Du hast mehr Angst als ich.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »Was meinst du damit?« fragte er. »Ich sitze hier direkt neben dir. In einer Bar im Village. Was meinst du mit ›Wo bist du‹? Was meinen Körper betrifft, weißt du so gut wie ich, wo du die Teile gelassen hast.«
    »Darum geisterst du hier herum.«
    »Aber nein. Nichts könnte mir gleichgültiger sein als dieser Körper. War er schon in dem Moment, als ich ihn verließ. Das mußt du doch wissen.«
    »Nein, nein, ich meine, in welchem Reich bist du jetzt, was ist das, in welchen Gefilden, was hast du gesehen, als du aufstiegst… was…«
    Todtraurig lächelnd schüttelte er den Kopf. »Du kennst die Antworten schon längst. Ich weiß nicht, wo ich bin. Irgend etwas wartet jedoch auf mich, da bin ich mir ziemlich sicher. Irgend etwas. Vielleicht nur die endgültige Auflösung, Finsternis, Vergessen. Aber mir scheint, es ist etwas, das mich persönlich betrifft. Und ich kann es nicht ewig aufschieben. Aber frag mich nicht, wieso ich das weiß.
    Und mir ist auch nicht klar, warum ich zu dir durchdringen durfte, ob es ein reiner Willensakt war, ich meine, mein eigener Wille, und der war, nebenbei gesagt, schon immer verdammt stark, oder ob mir von irgendwoher noch ein paar Augenblicke gewährt worden sind. Ich weiß es nicht. Aber ich bin dir gefolgt, bei deinem ganzen Hin und Her, und dann bin ich hierhergekommen, weil ich einfach mit dir reden mußte. Ich werde dich nicht kampflos gehen lassen, nicht, bis ich dir alles erzählt habe.«
    »Etwas wartet auf dich«, flüsterte ich, schlicht und ergreifend von Ehrfurcht erfüllt. »Und dann, nach unserer kleinen Plauderei, wo willst du denn hin, wenn du dich nun nicht auflöst?«
    Er schüttelte den Kopf und starrte auf die Flaschen im Regal hinter der Bar, eine Flut von Licht und farbigen Etiketten.
    »Das ist ermüdend«, sagte er mißmutig. »Halt die Klappe.«
    Das versetzte mir schon einen Stich. »Halt die Klappe.« Er hatte den Nerv, das zu mir zu sagen!
    »Ich kann mich nicht um Dora kümmern.«
    »Was heißt das?« Er warf mir einen ärgerlichen Blick zu, während er noch einen Schluck Bourbon nahm, dann winkte er dem Barkeeper und bestellte ein weiteres Glas.
    »Willst du dich betrinken?« fragte ich.
    »Ich glaube, das geht gar nicht. - Du mußt einfach auf sie aufpassen. Mein Tod wird bald eine ziemlich öffentliche Angelegenheit sein. Ich habe Feinde, denen die Tatsache, daß sie meine Tochter ist, schon genügt, um sie ebenfalls zu töten. Du hast ja keine Ahnung, wie vorsichtig ich immer war und wie unüberlegt sie oft handelt. Sie glaubt nämlich an die göttliche Vorsehung. Und außerdem sind da noch diese Bluthunde von der Regierung und meine Sachen - meine Schätze, meine Bücher.«
    Ich war fasziniert. Drei Sekunden lang hatte ich nicht daran gedacht, daß er ein Geist war, und jetzt konnten meine Augen keinen Beweis mehr dafür finden. Nicht einen. Außer, daß er nach nichts roch und daß diese schwachen Lebenszeichen, die er ausströmte, nicht klangen, als rührten sie von einem festen Körper oder wirklich vorhandenen Organen her.
    »Na gut, ich sage ganz offen, daß ich Angst um sie habe«, gestand er. »Irgendwie muß sie diese Sache mit der Öffentlichkeit durchstehen. Mit der Zeit wird man sie vergessen. Die meisten meiner Widersacher wissen sowieso nichts von ihrer Existenz. Aber einige vielleicht doch. Du wußtest es, also werden auch andere von ihr wissen.«
    »Nicht notwendigerweise. Ich bin kein menschliches Wesen.«
    »Du mußt sie schützen.«
    »Das kann ich nicht machen. Ich will nicht.«
    »Lestat, warum hörst du mir nicht zu?«
    »Ich will nicht. Ich will, daß du verschwindest.«
    »Das ist mir klar.«
    »Hör mal, ich wollte dich eigentlich nicht töten. Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, ich hätte mir jemand anderes aussuchen sollen…« Meine Hände zitterten. O ja, später würde das alles faszinierend klingen, aber in diesem Moment bat ich ausgerechnet Gott, bitte, mach, daß das alles aufhört, laß es vorbeigehen.
    »Du weißt doch, wo ich geboren wurde?« fragte er mich. »Du kennst das St.Charles-Viertel in der Nähe von Jackson?«
    »Du meinst euer Gästehaus. Du brauchst mir nicht deinen Lebenslauf zu erzählen, dazu gibt es keinen Grund. Außerdem ist sowieso alles vorbei. Die Chance, deine Biographie zu schreiben, hättest du zu Lebzeiten ergreifen sollen wie jeder andere

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