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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Genuß, dabei zuzusehen, auch wenn du es selbst jetzt nicht tun willst?«
    Ich nickte. Im Traum hätte ich nicht geglaubt, daß ich ihn beobachten durfte. Louis haßte das. Im letzten Jahr, als wir drei zusammengewesen waren, war David viel zu zurückhaltend und argwöhnisch gewesen, als daß er so etwas vorgeschlagen hätte.
    Wir gingen in die dichtverschneite Düsternis des Central Park. Überall konnte man die nächtlichen Parkbewohner hören, ihr Schnarchen, Gemurre, einzelne Gesprächsfetzen; wir rochen Zigarettenrauch. Starke Typen sind das, die sich hier aufhalten. Typen, die wissen, wie man in dem Dschungel einer Stadt überleben kann, die in dem Ruf steht, für die vom Glück Verlassenen verhängnisvoll zu sein.
    David fand schnell, was er suchte - einen jungen Mann, Wollmütze über den Ohren, seine nackten Zehen lugten durch zerrissene Schuhe, ein nächtlicher, einsamer Wanderer, der Selbstgespräche mit längst verlorenen Freunden führte. Ich stand im Hintergrund unter ein paar Bäumen, der feuchte Schnee störte mich nicht. David faßte den jungen Mann an der Schulter, zog ihn sanft zu sich heran und schloß ihn in die Arme. Klassisch. Als David sich zum Trinken herabbeugte, begann der Junge in einem Atemzug zu lachen und zu reden; dann erstarrte er und wurde ganz still, bis schließlich sein Körper am Fuße eines kahlen Baumes sacht zur Ruhe gebettet wurde.
    Südlich von uns glühten die Wolkenkratzer am Himmel, ringsumher umgaben uns die kleinen, heimeligeren Lichter der East und West Side. David stand ganz starr, so daß ich mich fragte, was in ihm vorging. Es war, als habe er nicht mehr die Fähigkeit, sich zu bewegen. Ich ging zu ihm. Er hatte nichts von dem kühlen, arbeitsamen Archivar mehr an sich. Er schien sehr heftig zu leiden.
    »Was ist mit dir?« fragte ich.
    »Das weißt du doch«, hauchte er. »Ich werde das nicht lange überleben.«
    »Das ist nicht dein Ernst. Mit den Fähigkeiten, die ich dir verliehen habe -«
    »Pssst, wir haben uns angewöhnt, Sachen zu sagen, von denen wir wissen, daß sie für den anderen nicht akzeptabel sind. Das sollten wir lassen.«
    »Und nur noch die reine Wahrheit sagen? Also gut. Hier hast du die Wahrheit: Jetzt, in diesem Moment, glaubst du, du kannst nicht überleben. Jetzt, wo du sein Blut heiß durch deinen Körper strömen fühlst. Klar! Aber daß dieses Gefühl nicht ewig anhält - das ist der Schlüssel zum Überleben. Und ich bin das ewige Gerede vom Überleben satt. Ich hatte einen netten Versuch gestartet, mein Leben zu beenden, es hat nicht geklappt; und nebenbei, es gibt noch ein paar andere Sachen, über die ich mir Gedanken machen muß - dieses Etwas, das mich verfolgt, und wie ich Dora helfen kann, ehe es mich erwischt.« Das stopfte ihm den Mund.
    Wir durchquerten den Park zu Fuß wie Sterbliche; meine Schritte knirschten im tiefen Schnee. Kreuz und quer wanderten wir durch unbelaubtes Gebüsch, schoben die nassen schwarzen Äste beiseite, die Umrisse der City immer in Sichtweite.
    Ich war gespannt, ob ich wieder Schritte hören würde. Ja, ich war gespannt, und gleichzeitig war mir ein ernüchternder Gedanke gekommen - daß das monströse Wesen, das sich gezeigt hatte, der Teufel selbst oder was auch immer, doch nur hinter Roger hergewesen war… Aber was war dann mit dem Mann, dem anonymen, völlig unauffällig aussehenden Mann? Denn so sah ich ihn in meiner Vorstellung, als den Unauffälligen. Er war es, den ich in der Morgendämmerung kurz wahrgenommen hatte.
    Wir näherten uns den Lichtern südlich des Central Park, wo die Gebäude mit einer Arroganz emporragten, wie Babylon sie nicht dem Himmel hätte entgegenschleudern können. Doch von dort kamen auch die tröstlichen Geräusche der Gutbetuchten, dem Leben Hingegebenen, ihr Kommen und Gehen und der unermüdliche Strom der Taxis, der den Lärm noch verstärkte.
    David brütete vor sich hin.
    Endlich sagte ich zu ihm: »Wenn du wie ich dieses Wesen gesehen hättest, wärst du nicht so wild darauf, die nächste Stufe zu erklimmen.« Ich seufzte. Noch einmal würde ich dieses geflügelte Etwas nicht beschreiben.
    »Oh, es inspiriert mich ganz schön«, gestand er. »Das kannst du dir kaum vorstellen.«
    »Zur Hölle zu fahren? Mit einem Teufel wie dem?«
    »Hattest du denn das Gefühl, es sei aus der Hölle? Spürtest du das Böse? Ich habe dich das schon einmal gefragt. Hast du das Böse gespürt, als es Roger mitnahm? Zeigte Roger Anzeichen von Schmerz?«
    Diese Fragen schienen mir

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