Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
ins Mark erschüttert gewesen wäre.
    Seine Augen glitten forschend über die Ikonen und Heiligen. »Absolut großartige Objekte. Das ist eine… eine außergewöhnliche Sammlung. Weißt du, was sie alles enthält?«
    »Na ja, teils, teils«, antwortete ich. »Ich bin schließlich kein Kunstbanause.«
    »Die Reihe Bilder da an der Wand?« fragte er und deutete auf eine Reihe zerbrechlich aussehender Ikonen.
    »Die? Was ist damit?«
    »Das Schweißtuch der Veronika. Das sind ganz frühe Kopien des ursprünglichen Tuches, das schon seit Jahrhunderten als verloren gilt. Das ist eine russische Kopie, makellos, und die da ist italienisch. Und da, auf dem Boden gestapelt, die Stationen des Kreuzwegs.«
    »Er war besessen davon, für Dora Reliquien aufzustöbern. Und selbst liebte er das Zeug auch. Hier, dieses Tuch aus Rußland, das hatte er für Dora mit nach New York gebracht. Sie haben sich vergangene Nacht gestritten, weil sie es nicht annehmen wollte.«
    Es war sehr schön, er hatte es ihr ganz lebhaft beschrieben. Mein Gott, mir kam es vor, als hätte ich ihn schon immer gekannt, als hätten wir uns über all diese Kunstwerke schon einmal unterhalten, als spiegele ihre Oberfläche seine Wertschätzung und seine komplexen Gedankengänge wider.
    Wie jedes katholische Kind kannte ich natürlich die Stationen des Kreuzwegs. Damals in meiner Heimat pflegten auch wir den Leidensweg Christi nachzuvollziehen, indem wir in der dämmerigen Kirche an jeder der vierzehn Stationen niederknieten und die gehörigen Gebete sprachen. War nicht Veronika an der sechsten Station zu Jesus getreten, um ihm mit ihrem Schleier das Gesicht zu trocknen?
    David ging von Objekt zu Objekt. »Also, dieses Kruzifix ist wirklich sehr alt. Das könnte einige Aufregung verursachen.«
    »Aber könnte man das nicht von jedem dieser Dinge hier sagen?«
    »Ja, sicher, aber ich meine jetzt nicht wegen Dora und ihrer Religion oder worum auch immer es ihr geht. Ich meine nur wegen der Einmaligkeit der Kunstwerke. Du hast recht, wir können diese Dinge unmöglich ihrem Schicksal überlassen. Sieh mal, diese Statuette könnte keltisch sein, 9. Jahrhundert. Unglaublich wertvoll. Und das hier, vielleicht aus dem Kreml.«
    Er hielt inne, ergriffen von einer Ikone, die die Madonna mit dem Kind zeigte. Extrem stilisiert, wie alle Ikonen, aber ein recht trauliches Bild - das Jesuskind, das sich an seine Mutter klammert, verliert gerade eine Sandale. Engel quälen es mit symbolischen Darstellungen seiner zukünftigen Leiden, und die Mutter neigt zärtlich ihren Kopf gegen den des Kindes, so daß sich die Heiligenscheine überschneiden. Das Kind Jesus, das sich seiner Zukunft entziehen will und in die Arme seiner Mutter flüchtet.
    »Was für ein grundsätzliches Prinzip einer Ikone zugrunde liegt, ist dir bekannt, nicht wahr?« fragte David.
    »Ja, der Künstler hat eine göttliche Eingebung.«
    »Noch unmittelbarer. Es soll keine handwerkliche Arbeit sein, sondern Gott selbst läßt das Abbild auf dem Untergrund erscheinen. Angeblich entstand manchmal sogar eine zweite Ikone, indem man das Original auf eine Leinwand preßte sozusagen eine magische Übertragung.«
    »Ah ja, es gab also eigentlich keinen Künstler.«
    »Ganz genau. - Meine Güte, diese Reliquie - ein in Juwelen gefaßter Splitter vom Kreuz Christi… und das hier, das kann nicht sein … ein berühmtes Stundenbuch, das während des Zweiten Weltkriegs verschwand.«
    »David, diese liebevolle Inventarisierung können wir uns für später aufheben, okay? Jetzt stellt sich eher die Frage, wie wir vorgehen sollen.«
    Meine Furcht hatte sich langsam gelegt, obwohl ich es nicht lassen konnte, immer wieder den leeren Fleck zu betrachten, an dem der steinerne Teufel gestanden hatte. Und der Teufel war es gewesen, das wußte ich. Und mich würde wieder dieses Zittern überkommen, wenn wir jetzt nicht endlich zur Tat schritten.
    »Wie können wir das bloß in Sicherheit bringen und wo?« überlegte David. »Komm, fang an, erst die Schränke und die schriftlichen Unterlagen, dann suchen wir nach den Wynken-Büchern; wir sollten nicht planlos vorgehen.«
    »Laß dir nur nicht einfallen, deine einstigen sterblichen Verbündeten hier hinzuzuziehen.« Ich war plötzlich argwöhnisch und, zugegebenermaßen, auch unfreundlich.
    »Meinst du die Talamasca?« David sah mich an, in der Hand das kostbare antike Stundenbuch mit dem mürben, fast zerfallenden Einband.
    »Das gehört alles Dora«, sagte ich. »Für sie

Weitere Kostenlose Bücher