Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
ein überdimensionales Klavier und genauso platzraubend. Eine Öffnung war nicht zu sehen, doch der Deckel hob sich sofort, wenn man nur an der richtigen Stelle drückte.
Meinen Ruheplatz hatte ich nach meinen eigenen Plänen gestaltet, als ich damals dieses Haus restaurieren ließ, in dem Claudia, Louis und ich gelebt hatten. Und zwar hatte ich mir nicht in meinem alten
Schlafzimmer, in dem jetzt nur noch das unerläßliche wuchtige Himmelbett und der Toilettentisch standen, sondern im Dachgeschoß, im sogenannten Kofferboden, eine Zelle aus Marmor und Stahl einbauen lassen.
Alles in allem besaßen wir also hier ein gemütliches Basislager, und, ehrlich gesagt, war ich erleichtert, daß Louis nicht da war, der mir meine Erlebnisse bestimmt nicht geglaubt hätte. Seine Zimmer waren, abgesehen von den neu hinzugekommenen Büchern, unverändert. Ein neues Bild gab es, in lebhaften, fesselnden Farben, einen Matisse. Ansonsten war alles wie gewohnt.
Wie üblich überprüften wir zuerst unsere Sicherheit durch einen flüchtigen Rundumcheck, mit heftigem Widerwillen gegen diese nicht nur den Sterblichen vorbehaltene Tätigkeit. Dann richteten wir uns häuslich ein und beschlossen, daß ich allein losgehen sollte, um nach Dora zu sehen.
Es gab keinen Hinweis darauf, daß mein Verfolger in der Nähe war, und auch der Unauffällige war nicht wiederaufgetaucht. Aber wir rechneten beide damit, daß der eine oder der andere schon bald wieder erscheinen könnte. Dennoch trennte ich mich von David und überließ ihn dem Vergnügen, die Stadt nach seinen Vorstellungen zu erkunden.
Ehe ich mich in Richtung Stadtrand aufmachte, holte ich noch Mojo ab, meinen Hund.
Sollten Sie Mojo aus meinen Abenteuern mit dem Körperdieb nicht kennen, lassen Sie mich nur soviel über ihn sagen: Er ist eine riesiger deutscher Schäferhund, und eine gütige Sterbliche, die in einem meiner Häuser zur Miete wohnt, kümmert sich um ihn. Er liebt mich hingebungsvoll, weshalb ich ihn unwiderstehlich finde. Er ist nur ein Hund, nicht mehr und nicht weniger, außer daß er von enormer Größe ist, mit dichtem langen Fell, und ich mag nicht lange ohne ihn sein.
Während der ein oder zwei Stunden, die ich jetzt mit ihm verbrachte, tollten wir im Garten hinter dem Haus umher und rangelten miteinander auf dem Boden, wobei ich ihm all meine Abenteuer erzählte und mit ihm überlegte, ob er mich später begleiten sollte. Tatsächlich gab Mojo mir ein Gefühl von Sicherheit. Wenn der Teufel kam, und ich hatte Mojo… Aber das war nun wirklich absurd. Ich würde also mit Hilfe eines Hundes aus Fleisch und Blut die Hölle abwehren. Na ja, ich schätze, Menschen haben schon an Erstaunlicheres geglaubt.
Ehe ich David verließ, hatte ich ihn noch gefragt: »Was, glaubst du, hat das zu bedeuten, ich meine diese Sache mit dem Verfolger und dem Unauffälligen?«
Und ohne Zögern antwortete er: »Die bildest du dir beide ein, du bestrafst dich selbst erbarmungslos; das ist für dich der einzige Weg, dich weiterhin zu amüsieren.«
Ich hätte beleidigt sein sollen. War ich aber nicht. Es ging jetzt um Dora und nicht um mich.
Schließlich entschied ich, Mojo doch hierzulassen. Wenn ich Dora nachspionieren wollte, mußte ich allein sein. Also küßte ich Mojo und ging. Später könnten wir noch einmal an unserer Lieblingsstelle, dem Brachland unter den Brücken am Fluß, zusammen umherstreifen. Das wenigstens blieb mir, solange die Natur es erlaubte; doch für den Moment mußte das warten.
Zurück zu Dora.
Natürlich wußte sie nichts von Rogers Tod. Das war gar nicht möglich, außer - vielleicht - Roger war auch ihr erschienen. Jedoch hatte er mir nicht den Eindruck vermittelt, daß er das überhaupt könnte. Es hatte ihn eindeutig seine ganze Energie gekostet, mir zu erscheinen. Und außerdem dachte ich, daß er viel zu sehr darauf bedacht war, Dora zu schonen, als daß er sich ihr absichtlich als Gespenst gezeigt hätte.
Aber was wußte ich schon von Gespenstern? Von einigen wenigen ziemlich undeutlichen Erscheinungen abgesehen, hatte ich niemals die Gelegenheit gehabt, mit einem zu sprechen.
Und nun würde ich mich auf ewig seiner beeindruckenden Liebe zu Dora erinnern und dieser so besonderen Mischung aus Gewissen und übersteigertem Selbstvertrauen, die er ausstrahlte. Rückblickend schien mir allein sein Erscheinen schon außergewöhnliches Selbstbewußtsein zu offenbaren. Es gibt genügend eindrucksvolle und auch glaubharte Gespenstergeschichten, so
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