Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Größe wäre sowieso nicht ausreichend.«
»Aber dir ist klar, daß unsere Etage im Olympic Tower voll und ganz ausreicht!«
»Meinst du das ernst?« fragte ich.
»Aber natürlich. Was könnte denn sicherer sein? Und jetzt an die Arbeit. Sterbliche Verbündete können wir nicht brauchen, diese Schufterei müssen wir schon allein bewältigen.«
»Ah«, stöhnte ich angewidert. »Wir beide sollen das alles verpacken und fortschleppen?«
Er lachte. »Sicher! Was Herkules konnte, können wir auch. Jetzt komm! Du weißt gar nicht, wie leicht sich das alles mit dieser modernen Plastikfolie auspolstern läßt, und wir tragen es dann selbst weg. Das wird ein tolles Ding. Am besten gehen wir über die Dächer.«
»Ach, es nervt einen doch nichts so sehr wie die Energie eines Vampirzöglings«, sagte ich mürrisch. Aber ich wußte, daß er recht hatte. Und unsere Körperkraft war unvergleichlich größer, als die eines sterblichen Helfers je sein konnte. Es war möglich, die Wohnung noch in dieser Nacht auszuräumen. Das wurde vielleicht eine Nacht!
Im Rückblick muß ich sagen, daß körperliche Arbeit ein gutes Gegenmittel ist gegen Angst und Bedrängnis und gegen die Befürchtung, der Teufel könne einen jeden Moment beim Genick packen und ins Höllenfeuer befördern!
Wir besorgten uns einen ordentlichen Vorrat an Luftpolsterfolie, die selbst den zerbrechlichsten Gegenstand noch sanft umhüllt. Zuerst verpackte ich die Akten und Wynkens Bücher; dann machten wir uns an die Schwerarbeit.
Wie David vorgeschlagen hatte, nahmen wir unseren Weg über die Dächer. Kein Sterblicher bemerkte die beiden verstohlenen schwarzen Gestalten, die dahinflogen wie die Hexen zum Blocksberg und dabei Säcke mit den kleineren Kunstwerken transportierten. Die größeren Objekte behandelten wir etwas vorsichtiger, indem wir sie Stück für Stück liebevoll in unseren Armen davontrugen.
Absichtlich ließ ich den großen weißen Marmorengel für David stehen, der ihn begeistert zu seinem Ziel brachte, wobei er den ganzen Weg über zu ihm sprach. Wie es sich gehörte, trugen wir all unsere Lasten mit der gebotenen menschlichen Geschwindigkeit über den Lieferanteneingang in unsere sicheren Räumlichkeiten des Olympic Tower. Immer wenn wir den Boden berührten, verlangsamten wir unsere innere Uhr, so daß man nur zwei Gentlemen eifrig beschäftigt sah, ihre neue Bleibe mit entsprechend gut verpackten Schätzen zu möblieren.
Bald schon war in den sauberen, teppichbedeckten Räumen ein Wald von gespenstischen, plastikumhüllten Paketen emporgewachsen, von denen einige allzusehr unfachmännisch gewickelten Mumien ähnelten. Das größte war wohl der marmorweiße Engel mit seiner Weihwasserschale. Auf dem Eßtisch lagen gut verpackt Wynkens Bücher. Ich hatte immer noch keine Gelegenheit gehabt, sie mir genauer anzusehen, und auch jetzt war nicht der richtige Augenblick dafür.
Ich ließ mich in einen Sessel fallen, keuchend vor reiner Langeweile und Wut wegen dieser Sklavenarbeit.
David allerdings frohlockte. »Hier sind sie absolut sicher«, sagte er enthusiastisch.
Sein junger männlicher Körper schien entflammt von Davids ureigenem Geist. Manchmal verwirrten sich vor meinen Augen die beiden unterschiedlichen Personen - der betagte David und die äußere Form des strammen, jungen angloindischen Mannes; doch fast immer wirkte er einfach und wahrhaftig vollkommen. Und mit Sicherheit war er der kraftvollste Zögling, den ich je geschaffen hatte. Das rührte nicht nur von meinem mächtigen Blut her oder von den Heimsuchungen und leidvollen Erfahrungen, die ich hatte durchmachen müssen, bevor ich ihn zu einem von uns machte. Sondern als ich ihn machte, hatte ich ihm mehr Blut gegeben als je einem anderen zuvor. Ich hatte mein eigenes Leben dabei aufs Spiel gesetzt. Aber wie auch immer. Hier saß ich, voller Liebe zu ihm, zu meinem Geschöpf.
Ich war ganz staubig und stellte fest, daß wir alles erledigt hatten. Selbst die Teppiche hatten wir aufgerollt und mitgenommen, auch den, der mit Rogers Blut befleckt war. Eine Reliquie von Roger, dem Märtyrer. Nun, dieses Detail würde ich Dora vorenthalten.
»Ich muß jagen.« Davids Flüstern weckte mich aus meinen Überlegungen.
Ich antwortete nicht.
»Kommst du mit?«
»Möchtest du das denn?« fragte ich.
Er stand da und sah mich an mit einem seltsamen Blick, keine Spur von Verurteilung oder Widerwillen in dem dunklen jugendlichen Gesicht.
»Warum nicht? Bereitet es dir keinen
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