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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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unverkennbar die Schritte des geflügelten Wesens, als hallten sie in einem riesigen Raum wider, in dem ich mich auch befand, völlig losgelöst von meiner Anwesenheit hier in diesem Zimmer.
    »Dora, ich muß dich verlassen!«
    »Was ist denn?«
    Die Schritte kamen immer näher.
    »Du wagst es, in ihrer Gegenwart zu mir zu kommen!« schrie ich und sprang auf die Füße.
    Dora hatte sich auf dem Bett aufgerichtet und rief wieder: »Was ist denn?«
    Rückwärts bewegte ich mich zur Tür. Als ich sie erreichte, verhallten die Schritte langsam.
    »Zur Hölle mit dir!« hauchte ich.
    »Sag mir, was los ist«, sagte Dora. »Wirst du wiederkommen, oder gehst du jetzt für immer?«
    »Nein, bestimmt nicht. Ich bin hier, um dir zu helfen. Hör zu, Dora, wenn du mich brauchst, ruf mich einfach.«
    Ich legte die Fingerspitzen an die Schläfen. »Ruf immer und immer wieder. Weißt du, wie beim Beten! Glaub nicht, das sei Götzenverehrung, ich bin kein böser Gott. Mach’s einfach. Ich muß weg!«
    »Wie heißt du?«
    Wieder die Schritte, entfernt, aber gut hörbar, ohne daß man hätte sagen können, woher sie kamen; für mich waren sie bestimmt, verfolgten nur mich.
    »Lestat.« Ich sprach meinen Namen ganz deutlich aus für sie - mit der Betonung auf der zweiten Silbe und einem deutlichen »t« am Ende. »Jetzt hör zu: Keiner weiß etwas über deinen Vater, das wird auch noch eine Weile so bleiben. Ich habe alles erledigt, worum er mich gebeten hat. Ich habe auch seine Sammlung.«
    »Wynkens Bücher?«
    »Alle. Ich habe alles, was ihm heilig war… Ein Vermögen für dich und alles aus seinem Besitz, was du haben sollst. Ich muß jetzt gehen.«
    Wurden die Schritte leiser? Ich war mir nicht sicher, aber ich konnte es einfach nicht riskieren, hier zu bleiben.
    »Ich komme wieder, sobald ich kann. Du glaubst an Gott? Dann bleib dabei, Dora, das könnte sich wirklich und wahrhaftig als richtig herausstellen.« Wie ein Lichtblitz verschwand ich aus dem Raum, über die Treppe und durch das zerbrochene Bodenfenster hinaus auf das Dach. Ich bewegte mich so schnell, daß keine Schritte mehr zu hören waren und die Stadt unter mir sich in einen trügerischen Lichtwirbel verwandelte.

Kapitel 7
    N ur Augenblicke später stand ich im Französischen Viertel auf dem Hof hinter meinem Stadthaus in der Rue Royale und schaute hinauf zu den erleuchteten Fenstern. Ich hoffte und betete, daß David da war.
    Wie ich es haßte, davonzulaufen! Ich mußte erst einmal innehalten, damit meine Wut abkühlte. Warum war ich geflohen? Um mich nicht vor Dora demütigen lassen zu müssen, die vielleicht nur mitgekriegt hätte, daß ich voller Entsetzen vor dem Wesen in die Knie gegangen wäre? Aber Dora hätte es vielleicht auch sehen können! Mein Gefühl sagte mir, daß ich mich instinktiv richtig verhalten hatte, als ich mich aus dem Staub machte, um das Wesen von Dora fernzuhalten. Es war hinter mir her, also mußte ich Dora schützen. Wenigstens hatte ich nun einen verflixt guten Grund, dieses Wesen zu bekämpfen - ihretwegen, nicht meinetwegen.
    Erst jetzt bekam ich langsam eine klare Vorstellung von Doras tatsächlicher Güte, das heißt, erst jetzt gewann ich einen richtigen Eindruck von ihr, weil ich nicht mehr abgelenkt wurde durch den Geruch ihres fließenden Blutes und sie mich nicht mehr mit ihren Eulenaugen fixierte. Die Menschen stolpern von der Geburt bis zum Tode blind durch ihr Leben; nur ein- oder zweimal in einem Jahrhundert stößt man auf eine Person wie Dora, von brillanter Intelligenz und mit klarer Auffassung von Gut und Böse. Begabt mit dem, was Roger so eifrig zu beschreiben versucht hatte, mit dieser magnetischen Anziehungskraft, die sie, gefangen in dem Wirrwarr aus Glaube und Schrifttum, noch nicht hatte zur Geltung bringen können.
    Die Nacht war wann und angenehm. In diesem Winter waren die Bananenstauden in meinem Garten nicht vom Frost angegriffen worden; wie ein Dickicht wucherten ihre überhängenden Blätter vor der Ziegelmauer. Impatiens und Lantane glühten in den üppig bepflanzten Beeten, und der Brunnen mit dem pausbäckigen Engel, aus dessen Füllhorn das Wasser in ein Becken plätscherte, klang kristallklar wie Musik.
    Ich rannte die Stufen vom Hof zur Hintertür hinauf, betrat das Haus und stapfte durch die Diele. Ein Schatten bewegte sich im Wohnraum.
    »David!«
    »Der ist nicht hier.«
    Ich stoppte im Türrahmen.
    Es war der Unauffällige. Er stand mit dem Rücken zu Louis’ Schreibtisch zwischen den

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