Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
meine Kopfhaut pressten. Es ließ mich erschauern, und mein Körper spannte sich und bebte, es übertraf an Entzücken all meine Vorstellungen. Mir widerstrebte diese unbeobachtete Intimität, sie widerstrebte mir genug, um sie umzuwandeln, mich gänzlich davon zu befreien. Ich wollte lieber sterben oder einfach nicht mehr hier sein, sondern irgendwo im Dunkeln, einfach und allein, nur mit meinen Tränen. Der Ausdruck seiner Augen sagte mir, dass er lieben konnte, ohne etwas zu geben. Kein Genießer, nur ein Bluttrinker. »Du machst mich hungrig«, flüsterte ich. »Nicht nach dir, sondern nach jemandem, der schon dem Verderben geweiht, aber noch lebendig ist. Ich möchte jagen. Hör auf. Warum fasst du mich an? Warum so sanft?«
    »Alle wollen dich haben«, sagte er.
    »Oh, ich weiß. Wer möchte sich nicht an einem wissenden, raffinierten Kind vergreifen? Jeder möchte gern einen fröhlichen Knaben, der weiß, wo ‘s langgeht. Kinder sind ein besseres Mahl als Frauen, und Mädchen sind Frauen schon zu ähnlich. Aber Knaben? Sie sind nicht wie Männer, nicht wahr?«
    »Mach dich nicht über mich lustig. Ich meinte, dass ich dich nur berühren wollte, fühlen, wie weich du bist, für immer jung.«
    »O ja, das bin ich, für immer jung«, sagte ich. »Für jemanden, der selbst so hübsch ist, redest du ziemlichen Unsinn. Ich gehe aus. Ich muss etwas zu mir nehmen. Und wenn ich damit fertig bin, wenn ich satt und innerlich warm bin, dann werde ich zu dir kommen und mit dir reden und alles, was du wissen willst, erzählen.« Ich zog mich ein wenig von ihm zurück, spürte, wie ein Beben mich durchlief, als seine Finger sich aus meinem Haar lösten. Ich blickte auf zu den leeren, hellen Fenstern, zu hoch angebracht, als dass man die Bäume hätte sehen können. »Sie konnten hier oben nicht einmal etwas Grünes sehen, dabei ist doch draußen Frühling, dieser südliche Frühling! Ich kann ihn durch die Mauern hindurch riechen. Jetzt möchte ich so gern Blumen sehen, nur für einen Moment. Töten, Blut trinken und Blumen.«
    »Das kann dir nicht genügen. Ich bin für das Buch«, sagte er. »Ich will es jetzt schreiben und ich will, dass du mitkommst. Ich werde nicht ewig hier rumhängen.«
    »Ach, Blödsinn, und ob du hier rumhängst! Du hältst mich für eine Puppe, oder? Du hältst mich für niedlich, wie aus Wachs geformt, und du wirst bleiben, solange ich hier bleibe.«
    »Das ist ein wenig gemein, Armand. Du siehst aus wie ein Engel, und du redest wie ein ordinärer Schläger.«
    »Wie arrogant! Ich dachte, du willst mich.«
    »Nur unter bestimmten Bedingungen.«
    »Du lügst, David Talbot«, sagte ich.
    Ich stürzte an ihm vorbei zur Treppe. In der Nacht draußen sangen, keiner Uhr verpflichtet, die Zikaden, wie so oft in New Orleans. Durch die neunfach geteilten Fenster des Treppenhauses fiel mein Blick auf die blühenden Frühlingsbäume. Eine Schlingpflanze wand sich um einen Verandapfosten.
    David folgte mir. Immer weiter gingen wir die Stufen hinab, normalen Schrittes wie sterbliche Männer, bis ins unterste Stockwerk, und dann hinaus durch die blitzenden Glastüren ins Freie. Wir standen auf der hell erleuchteten Napoleon Avenue mit dem feuchten, duftenden Grünstreifen in der Mitte, einem Dickicht von sorgfältig gepflanzten Blumen und knorrigen, alten, demütig gebeugten Bäumen. Der Wind vom Fluss versetzte dieses Bildnis in sanfte Bewegung, feuchter Dunst lag in der Luft, der einfach nicht in richtigen Regen übergehen wollte, und kleine grüne Blätter sanken sachte zu Boden wie welke Ascheflocken. Sanfter südlicher Frühling. Selbst der Himmel schien wie geschwängert von der Jahreszeit, tief hängend, doch rosig angehaucht von reflektierendem Licht, gebar er feuchte Nebelschwaden aus allen Poren.
    Aus den Gärten links und rechts der Straße stiegen durchdringende Düfte auf, sie entströmten einer Pflanze, die die Sterblichen Wunderblume nennen, sie wuchert wie Unkraut, hat aber die hübschesten Blüten. Die wilde Iris bohrte ihre Blätter wie Klinge mein Körper spannte sich und bebte, es übertraf an Entzücken all meine Vorstellungen. Mir widerstrebte diese unbeobachtete Intimität, sie widerstrebte mir genug, um sie umzuwandeln, mich gänzlich davon zu befreien. Ich wollte lieber sterben oder einfach nicht mehr hier sein, sondern irgendwo im Dunkeln, einfach und allein, nur mit meinen Tränen. Der Ausdruck seiner Augen sagte mir, dass er lieben konnte, ohne etwas zu geben. Kein Genießer, nur

Weitere Kostenlose Bücher