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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wirres schwarzes Haar auf. Schmutzig, aber dicht und füllig. Er hatte es mit einem Fetzen Stoff hinten im Nacken zusammengebunden, so dass es in einem dicken Pferdeschwanz über sein kariertes Hemd hinabhing. Er hatte genug dickflüssiges, biergeschwängertes Blut in sich für zwei Vampire, köstlich, abstoßend, und sein Herz kämpfte wütend, ein so gewaltiger Klotz war er, dass an ihm zu hängen wie ein Bullenritt beim Rodeo war.
    Auf dem Zenit des Mahls gewinnen alle Gerüche eine strenge Süße, selbst die widerlichsten. Ich dachte, ich würde sterben in stummer Wonne, wie jedes Mal.
    Ich saugte fest genug, um meinen Mund mit dem Blut zu füllen, ich ließ es über meine Zunge rollen, bis es mir den Magen füllte - wenn ich denn einen habe -, aber vor allem sollte es mir diesen gierigen, schmutzigen Durst stillen, ohne dass mir das Leben meines Opfers zu schnell verrann.
    Er schwankte und kämpfte, zerrte albernerweise an meinen Fingern, und versuchte sogar den gefährlichen, plumpen Trick, mir in die Augen zu stoßen. Ich kniff sie fest zusammen und ließ ihn mit seinen fettigen Daumen drücken. Das nutzte ihm gar nichts. Ich bin ein ziemlich undurchdringlicher kleiner Kerl. Man kann einen Blinden nicht blenden. Ich war zu satt von seinem Blut, um mich zu ärgern. Außerdem war es nicht unangenehm. Die Schwachen, die dich verletzen wollen, liebkosen nur.
    Sein Leben lief an ihm vorbei wie die Fahrt in einer Achterbahn unter wild rotierenden Sternen, und alle, die er je geliebt hatte, fuhren mit. Schlimmer als ein Bild von van Gogh. Du erkennst die breite Farbskala deines Opfers erst, wenn sein überfließender Geist seine schönsten Farben ausgießt.
    Zu bald schon sank der Kerl nieder und ich mit ihm. Ich hatte ihn mit dem linken Arm ganz umfangen und lag wie ein Kind gegen seinen mächtigen, muskulösen Bauch gedrückt. Zugleich mit seinem Blut sog ich seine Gedanken, seine Gefühle, seine Wahrnehmungen in unbesonnenen Zügen aus ihm heraus und verwandelte sie in Farbe, ja, lass mich Farben sehen, pures Orange, und für eine Sekunde nur, als er starb - als der Tod an mir vorbeirollte, geballte schwarze Kraft, die sich als Nichts entpuppt, als Rauch nur oder weniger als das -, als dieser Tod durch mich hindurchfuhr wie der Wind, da dachte ich: Ob ich ihm wohl eine tiefe, endgültige Erkenntnis vorenthalte, indem ich alles, was sein Sein ausmacht, zermalme?
    Blödsinn, Armand. Du weißt, was Geister und was Engel wissen. Der Bastard findet heim! Ins Himmelreich. Ins Himmelreich, das dich nicht haben wollte und dich vielleicht nie wollen wird. Im Tode sah er großartig aus.
    Ich saß neben ihm. Ich wischte mir den Mund ab - nicht, dass es etwas zu wischen gegeben hätte. Nur in Filmen sabbern Vampire beim Trinken. Selbst der irdischste Vampir ist zu geschickt, um auch nur einen Tropfen danebengehen zu lassen. Ich wischte mir den Mund, weil sein Schweiß an meinen Lippen und meinem Gesicht klebte, und ich das los werden wollte.
    Ich bewunderte mein Opfer jedoch, weil es so massig war und doch erstaunlich festes Fleisch hatte, trotz seiner sichtlich runden Figur. Ich bewunderte auch das schwarze Haar, das ich unter dem aufgeplatzten Hemd an seiner feuchten Brust kleben sah.
    Ich zerriss das Band, das sein Haar zusammenhielt. Sein Haar war wirklich sehenswert, es war füllig und dicht wie Frauenhaar. Während ich mich versicherte, dass er tot war, wickelte ich das Haar in seiner ganzen Länge um meine Hand und wollte es ihm vom Kopf reißen.
    David keuchte auf. »Muss das sein?«, fragte er.
    »Nein«, gab ich zurück. Doch da hatten sich schon eine Menge Strähnen aus der Kopfhaut gelöst, an jeder hingen die winzigen blutigen Wurzeln und tanzten in der Luft wie Glühwürmchen. Ich hielt das Büschel einen Moment lang fest und ließ es schließlich aus meinen Fingern gleiten und auf den abgewandten Kopf meines Opfers niederfallen, wo es unordentlich auf seiner rauen Wange landete. Seine Augen waren feucht, wie wachsam aufgerissen - verbleichende Gallertmasse.
    David drehte sich um und trat auf die schmale Gasse hinaus. Autos klapperten mit röhrendem Auspuff vorbei. Draußen auf dem Fluss stimmte ein Schiff mit seiner Dampfreife ein Lied an.
    Ich folgte David. Ich klopfte mir den Staub ab. Ein Schlag von mir hätte genügt, das Haus zusammenbrechen zu lassen, und es hätte sich über dem faulenden Unrat seines Inneren eine Höhle gebildet. Inmitten anderer Häuser würde es einen leisen Tod sterben, so dass kein

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