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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und Gesichter waren? Wusste er instinktiv, was sie waren?
    »Beeilt euch, wenn ihr uns töten wollt!«, rief er nun. »Wir haben nichts getan. Wir wissen nicht, wer ihr seid, oder warum ihr uns verschleppt habt. Wir sind unschuldig, alle, die wir da sind.«
    Sein Mut rührte mich, und ich versuchte, meine Gedanken zu sammeln. Ich durfte nicht länger erschreckt vor dem Bild zurückschaudern, das der letzte Anblick meines Herrn geboten hatte, ich musste mir vorstellen, dass er lebte, und musste überlegen, was er mir raten würde zu tun.
    Dass wir in der Minderheit waren, war unübersehbar, und nun konnte ich auch grinsende Mienen unter den Kapuzenträgern erkennen, die ihre Augen verhüllt hatten, aber ihre breiten, verzerrten Münder zeigten.
    »Wer ist hier der Anführer?«, wollte ich wissen. Ich sprach in einer Lautstärke, die für das menschliche Ohr nicht vernehmbar war. »Du musst doch sehen, dass diese Jungen nur Sterbliche sind. Euer Kampf muss sich gegen mich richten!«
    Daraufhin erhob sich in der langen Kette der Schwarzgewandeten Wispern und Murmeln. Die, die sich um die Gruppe der zusammengeketteten Jungen scharten, schoben sich noch dichter zusammen. Und als andere, die für mich kaum sichtbar waren, immer noch mehr Holz und Pech in das riesige Feuer warfen, kam es mir so vor, als machte sich der Feind nun zur Tat bereit.
    Vier von ihnen stellten sich paarweise vor die Jungen, die, in ihr Jammern und Weinen vertieft, nicht zu merken schienen, was das bedeutete. Ich sah es sofort.
    »Nein, mit mir müsst ihr reden, mit mir müsst ihr diskutieren!«, schrie ich, während ich mich gegen die Umklammerung stemmte. Erschreckenderweise lachten sie nur. Plötzlich begannen die Trommeln aufs Neue zu dröhnen, hundertfach lauter als zuvor, als wären wir, mitsamt dem zischenden, knackenden Scheiterhaufen in der Mitte, von Trommelschlägern umringt.
    Sie nahmen den steten Takt des Dies Irae auf, und mit einem Mal richteten sich die nebeneinander stehen Gestalten auf und fassten sich bei den Händen. Sie sangen die lateinischen Worte dieses Chorais über den Tag des Wehs. Dabei begannen sie sich neckisch im Takt zu wiegen und hoben die Knie zu einem spielerischen Marsch, während ihre vereinten Stimmen, wohl hundert an der Zahl, die Worte im gleichen Tanzrhythmus hervorstießen, ein hässliches Spottbild auf die traurigen Worte.
    Nun gesellte sich das schrille Trillern von Flöten zu den Trommelschlägen, und dazu das Rasseln von Tambourinen, und dann wogte der ganze Kreis der Tänzer, Hand in Hand, mit wiegenden Oberkörpern und nickenden Köpfen grinsend zu den gesungenen Worten: »Diii—eees - –liiii-raaeeee!«
    Panik überschwemmte mich. Aber ich konnte meine Wächter einfach nicht abschütteln. Die ersten beiden Robenträger lösten einen Knaben aus der Reihe und schleuderte seinen strampelnden Körper hoch in die Luft, die anderen beiden fingen ihn auf und mit einer gewaltigen, übermenschlichen Anstrengung warfen sie das hilflose Kind im hohen Bogen in die Flammen.
    Mit Mitleid erregenden Schreien landete er im Feuer und verschwand, während die anderen Jungen, nun ihr sicheres Schicksal vor Augen, außer sich gerieten und in lautes Schreien und Weinen ausbrachen; doch es nützte alles nichts.
    Einen nach dem anderen rissen sie die Jungen voneinander los und schleuderten sie in die Flammen. Ich warf mich hin und her, um loszukommen, trat in alle Richtungen aus, und schaffte es, einen Arm freizubekommen, der jedoch gleich wieder von drei anderen Gestalten mit hartem Druck gepackt wurde. Ich schluchzte: »Lasst das sein, sie sind unschuldig. Tötet sie nicht. Nein!«
    Aber wie laut ich auch aufheulte, so hörte ich doch die vergehenden Schreie der brennenden Jungen, Amadeo, rette uns, ob sie ihre Furcht, ihren Schmerz nun in Worten äußerten oder nicht, bis endlich die, die noch lebten, den Chor aufgriffen: Amadeo, rette uns! Aber die Hälfte von ihnen war schon nicht mehr, und bald war nur noch ein Viertel ihrer Zahl übrig, und alle sträubten sich und wanden sich, als sie diesem unaussprechlichen Tod überantwortet wurden.
    Die Trommeln klangen zusammen mit dem höhnischen Rasseln der Tambourine und den winselnden Tönen der Hörner. Die furchterregenden Stimmen des Chores pressten jede Silbe der Hymne mit giftiger Schärfe hervor.
    »So viel zu deinen Mitstreitern!«, zischte einer neben mir. »Du heulst also um sie? Sie hätten dir als Mahlzeit dienen sollen, jeder Einzelne, um der Liebe Gottes

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